02.10.2025
Andrea Stella beschleicht ein komisches Gefühl. Die Erfolge von Max Verstappen bei den letzten Rennen könnten keine Eintagsfliegen sein – sondern der Beginn einer späten Aufholjagd. Irgendwie kommt die Renaissance des Weltmeisters reichlich überraschend. Aber wenn man die Entwicklungsschritte der letzten Rennen entblättert, dann wird klar, was für ein Aufwand dahintersteckt – und wie es sich auf die Restsaison auswirken kann.
Der senkrechte Seitenkastenlufteinlass mit einer exponierten Flügelspitze verringert den Luftwiderstand – und verbessert die Effizienz der Motorkühlung. Der Flügel bringt einen Drall nach außen, um den Nachlaufströmungen von den Vorderreifen außen zu halten.
Der neue Diffusor und die Upgrades am Unterboden verteilen die Aerolasten über verschiedene Bodenfreiheiten hinweg gleichmäßiger und sorgen so dafür, dass der Unterboden nicht nur in einem sehr kleinen, spitzen Fenster der Standhöhe funktioniert.
Der neue Frontflügel und die modifizierte Befestigung des des Frontflügels an der Fahrzeugnase verlagert die Balance spürbar nach vorn, sorgt dafür, dass die vom Frontspoiler emporströmende Luft nach innen hin beruhigt wird und dass sich der Luftstrom während der Rotation in den Kurven mit weniger Verwirbelungen von den oberen Flügelblättern löst.
Der Heckflügel in seiner Auskleidung für weniger Anpressdruck senkt den Luftwiderstand und verschiebt die Balance des gesamten Autos weit nach vorn. Die ausgeschnittenen Endplatten verbreitern die Verteilung der aerodynamischen Last auf die gesamte Spannweite des Heckflügels.
Der modifizierte Flügel am vorderen Ende der Karosserie samt dessen Befestigung arbeitet Hand in Hand mit dem neuen Diffusor und dem neuen Unterboden. So entsteht eine Verlagerung der aerodynamischen Drücke möglichst weit nach außen, wenn sich die Karosserie eine Rollbewegung begibt – also sich in Kurven nach außen neigt.
Umgestaltete Verbindungen an den Vorderradaufhängungen arbeiten im Prinzip genau wie die neuen Befestigungen des Frontflügels: Sie provozieren an Ort und Stelle eigene aerodynamische Druckzentren, die für sich singulären Anpressdruck generieren – aber nehmen der anströmenden Luft auch die innere Unruhe während der Kurvenfahrt und unterstützen den Aufwärtsdrall der vom Frontflügel kommenden Luftströme.
Neu gelegte Leitungen innerhalb der Verkleidungen der Trommeln um die Bremsen stellen womöglich die größte Verbesserung dar. Denn die Formel 1 ist längst zu einer Rennserie verkommen, in der es zu 98 Prozent ums reine Reifenmanagement geht. Die andere Durchleitung der Luft sorgt für eine bessere Kühlung der Luft, da sie die abstrahlende Hitze von den Bremsscheiben anders verarbeiten. Damit werden vor allem die Vorderreifen entlastet. Und das ist wichtig, da die gesamte aerodynamische Balance des RB21 durch die Karosserie-Upgrades nach vorn verschoben wird – die Vorderreifen also auch deutlich mehr unter Last stehen.
Die Updates sind eine Folge jener Probleme, die Red Bull schon seit dem Wagen Baujahr 2024 mit sich rumschleppt: zu wenig Grip und eine zu geringe Balance in den Kurven. Wenn die Rollbewegungen beim Fahren sehr stark ausfallen oder der Diffusor auf manchen Strecken viel an Durchströmung verliert, sodass als Kettenreaktion davon der gesamte Unterboden nicht mehr genug Abtrieb generiert. Also nicht mehr nur der Diffusor hinten, sondern die gesamte Länge des Unterbodens hinweg.
Mit dem neuen Unterboden steigt dessen Effizienz. Und das führt direkt dazu, dass man nicht mehr einen so großen und damit ineffizienten Heckflügel fahren muss.
Und das hängt nicht mit dem Miniheckspoiler von Monza und Baku zusammen, denn der gehört zum Lowdownforcepaket. Aber, und das ist entscheidend für die nächsten Rennen: Da der neue Unterboden funktioniert, kann man nun auch für den Rest des Jahren auf Strecken, die mehr Downforce verlangen als Monza und Baku, Heckflügel mit weniger Anpressdruck und damit auch niedrigerem Luftwiderstand anbauen. Damit steigen automatisch die Beschleunigung und die Endgeschwindigkeit, und der Red Bull wird auch wieder zu einem Auto, mit dem man aktiv überholen kann. Das ändert die Dramaturgie der ganzen Rennwochenenden: Verstappen kann wieder in den Rennen agieren – statt alles in die Waagschale der Qualifikation werfen zu müssen und in den Rennen selbst dann nur verteidigen zu müssen.
Bei McLaren gibt’s aber eine viel größere Baustellen als der erstarkende Bulle: die langsamen Boxenstopps. Kein Topteam versammelt so häufig die Reifenwechsel wie die Engländer mit neuseeländischen Wurzeln. Ferrari – ausgerechnet – ist regelmäßig am schnellsten mit den Schlagschraubern, auch Red Bull ist konstant schneller. Und bei McLaren ist vor allem die Crew von Lando Norris erschreckend oft langsamer als drei Sekunden. Wenn der Titelkampf doch noch zum Thrillertriell wird, dann kann diese Kleinigkeit entscheidend werden.