27.07.2025
Es ist eine Spur merkwürdig. Spa ist das erste Rennen in der Geschichte des Red Bull-Rennstalls, bei dem Christian Horner nicht Teamchef ist. Viel ist geschrieben worden über die Gründe, warum der Mutterkonzern den Engländer von der Brücke abberufen hat.
Es war leider alles völlig falsch.
Denn die Gründe verengen sich nicht auf die Formel 1. Sie sind vielmehr in den üblichen Machtgerangel zu suchen, die sich in jeder großen Firma, in jedem Konzern, abspielen, wenn eine langjährige Führungsperson nicht mehr da ist und ein Vakuum hinterlässt.
Bei Red Bull hat der Tod von Firmengründer Dietrich Mateschitz einen solchen Leerstand ausgelöst. Die neuen Führungskräfte bringen sich in Stellung und versuchen, ihre Positionen abzusichern und sich selbst möglichst viel Machtfülle zu sichern. Das geht nur, wenn sie sich voneinander abgrenzen, sie sich selbst möglichst viel Einfluss sichern und zeigen, dass sie die Richtigen für den Job sind.
Also lädt sich Oliver Mintzlaff, ein Fußballer, der für den Sport und die Geschäftsausweitung im neuen Red Bull nach Mateschitz zuständig ist, möglichst viele Verantwortungsbereiche auf, um sich unentbehrlich zu machen. Die Umstrukturierungen hinter den Kulissen des Konzerns betreffen nämlich nicht nur das Rennteam. Vielmehr werden auch bei dem angegliederten Red Bull Mediahouse, das unter Anderem einen Fernsehsender, aber auch eine Motorsportnachrichtenwebsite unterhält, gerade unbequeme Führungskräfte entlassen oder zumindest auf Abstellgleise geschoben. Ein klares Zeichen dafür, dass der Konzern stromlinienfähig gemacht werden soll – und sich Entscheidet mit Ja-Sagern umgeben.
Horner ist kein bequemer Ja-Sager. Aber ein politisch gewiefter Stratege. Solange die Erben jener Thai-Familie, die das Grundkonzept des Getränks erfunden haben, eine Mehrheit der Anteile an der übergeordneten Holding hielten, konnte Horner frei schalten. Denn er hatte sich die Zuneigung und Unterstützung der Asiaten gesichert. Doch jetzt regeln die Thai ihre eigene Erbfolge – und haben zwei Prozent der Anteile an eine Genfer Investitionsfirma verkauft. Damit halten die Thai und jene Vetriebsfirma, die Gründersohn Mark Mateschitz gehört, je 49 Prozent. Mark Mateschitz mag selbst nicht operativ arbeiten, überlässt einem Dreigestirn die Geschäftsleitung, unterteilt für die Bereiche Finanzen, Getränkeentwicklung und Vertrieb samt Sponsoring und Weiterentwicklung. Letzteres obliegt Mintzlaff.
Dem war Horner wegen seiner Machtfülle und seinem direkten Draht zur Konzernspitze ein Dorn im Auge. Horner hat sich angreifbar gemacht – wegen seiner Liaison mit seiner Sekretärin Fiona Hewitson und der Talfahrt des Teams, das technisch nicht mit McLaren Schritt halten kann. Ohne diese offene Flanke und ohne die Verschiebung der Teilhaberverhältnisse hätte Mintzlaff Horner nie wegbekommen. Jetzt hat er die erste sich bietende Chance genutzt, am Ruder von Red Bull Racing einen Kapitän zu installieren, der ihm gewogen ist und die nötige untergebene Dankbarkeit an den Tag legt: Laurent Mekies.
Der eigene Machtbereich ist so flugs um ein Prestigeprojekt erweitert.
Das lässt sich der Manager sogar mehr ls 50 Millionen kosten. Denn so hoch ist die Abfindung, die man Horner für die vorzeitige Abberufung zahlen muss.
Mekies ist auch ein Formel 1-Fachmann mit größter Sachkenntnis. Aber er hat nicht das Rückgrat und die Durchsetzungskraft von Horner, sondern er ist einer, der in die Welt von Konzernen passt. Damit sind all’ seine Entscheidungsprozesse unweigerlich zu langsam und zu auch zu biegsam, wenn sie von Mintzlaff und seiner Abteilung durchleuchtet werden müssen. Die Talfahrt von Red Bull Racing hat gerade erst begonnen.
Zwar wird Max Verstappen noch nächstes Jahr für die Bullen fahren. Doch in dem Jahr wird sich rausstellen: Die Entwicklungsrate ist zu langsam, ihre Trefferquote zu schlecht. Red Bull wird ins Mittelfeld trudeln, sich bald auf Augenhöhe mit Williams wiederfinden. Damit sind den nächsten Beben in der Königsklasse Tür und Tor geöffnet: Red Bull füttert den Transfermarkt unfreiwillig mit einem Topfahrer und einem Topteamchef. Zuerst wird Horner ein neues Team finden, dann Verstappen ebenfalls wechseln.
Die Nachfolger von Dietrich Mateschitz lassen es geschehen. Denn sie schauen auf ihre eigenen Bürosessel, nicht aufs große Ganze.