28.08.2025
Manche Dinge wollen sich einfach nicht erschließen. Neben Montréal umarmt kein Austragungsort die Formel 1 derart wie Zandvoort. Und dennoch sind die Tage der Grands Prix in dem niederländischen Dünenbad kurz hinter Amsterdam bald schon gezählt. Künftig soll sich Zandvoort im zweijährlichen Turnus mit Spa-Francorchamps als Austragungsort eines Rennens abwechseln, das dann de facto ein Benelux-Grand Prix wäre.
Robert van Overdijk, der Organisationschef des Rennens, mag nicht mal davon etwas wissen. Er möchte nach eigenem Bekunden lieber einen Ausstieg mit einem Knalleffekt, wenn der aktuelle Vertrag mit der Formel 1-Dachorganisation nach dem Grand Prix 2026 ausläuft. Er führt eine Steuererhöhung der niederländischen Regierung ins Felde. Die hätte angekündigt, die Umsatzsteuer auf Eintrittskarten derart zu erhöhen, dass die Preise für die Grand Prix-Tickets um 12 Prozent steigen müssten. Das, so fürchtet van Overdijk, könnten sich viele Niederländer dann nicht mehr leisten, und deswegen dürfte das stetig ausverkaufte Haus mit der neuen Steuergesetzgebung der Vergangenheit angehören. Zandvoort brauche aber pro Jahr drei ausverkaufte Tage, um die hohen Kosten, vor allem durch die Antrittsgebühren, ohne die der Zirkus nicht in Stadt kommt, wieder reinzuholen. Höchstens ein flauer Tag sei über all’ die Jahre zu verkraften, aber mehr auf keinen Fall. Schließlich sei Zandvoort neben Silverstone die einzige Strecke, die komplett ohne Zuschüsse vom Staat auskommen müsse.
Für das Comeback der Formel 1 nach 36 Jahren hatten die Zandvoorter ihre spektakuläre, sich in eine Dünenlandschaft schmiegende Piste spektakulär umgebaut. Und wer dieser Tage durch die Fußgängerzone von Zandvoort geht, der findet keinen Laden, in dem die Schaufenster und Aussteller nicht mit Formel 1-Themen dekoriert und verziert sind.
Landsmann Max Verstappen hat in den Niederlanden einen Boom ausgelöst, der sich in Zandvoort wie durch eine Lupe gebündelt widerspiegelt. Das und die traditionell lockere, freundliche Art der Niederländer machen das Rennen an der Nordsee zu einem der besten Erlebnisse des Jahres.
Zudem haben die Gastgeber es geschafft, den ökologischen Fußabdruck des Grands Prix so klein zu halten wie kein anderer Veranstalter: 98 Prozent der Rennbesucher kommen mit dem Fahrrad, „fiets“ auf gut niederländisch, den Öffis oder gar zu Fuß. Mit dem Auto kommt man ohne Passierschein gar nicht in den Ort rein.
Dieser Nachhaltigkeitsaspekt ist heutzutage auch wichtig, zumindest für die Außendarstellung und als Argumentationsgrundlage für weltfremde Marketingfachleute.
All’ das kippt die FOM, die Rechteinhabergesellschaft der Formel 1, nun über Bord, indem man auf hohen Antrittsgebühren besteht. Zandvoort argumentiert aus einer Position der Stärke. Doch das Geld übertüncht sowohl die Atmosphäre als auch den Umweltgedanken: Statt des aufgeladenen Zandvoort fährt man lieber in der blutarmen Atmosphäre von Katar oder gar Bahrein, wo es außer Steinen und Sand sowie halbvollen Tribünen nichts gibt. Oder in Aserbeidschan, wo die Formel 1 keinen Otto Normalverbraucher hinter dem Ofen hervorlockt.
Die deutsche Automobilindustrie zeigt zwar gerade, wie man es schafft, sich binnen kürzester Zeit abzuwracken. Der ganze europäische Kontinent ist in einer Abwärtsbewegung. Da ist es sicher wichtig, neue Märkte zu erschließen. Aber: Bis aus diesen neuen Märkten mal ein Rennfahrer kommt, der das Zeug zur Formel 1-Weltmeisterschaft hat, vergehen noch mindestens drei Generationen. Solange werden neue Weltmeister vornehmlich aus Europa rekrutiert, vielleicht mal aus Brasilien; schon die USA wären eine Sensation, beim derzeitigen Stand der dortigen Fahrerausbildung.
Und: Helden schaffen Emotionen. Geld regiert zwar das Feld, doch nur über Identifikationsfiguren lassen sich Ränge füllen und Merchandisingartikel absetzen. Deswegen ist es grob fahrlässig, Europa jetzt schon fahren zu lassen – wo noch keine neuen Helden aus anderen Märkten in Sicht sind.