02.05.2025
Manchmal hilft nur noch die Notlösung. Vielleicht auch für Max Verstappen. Immer wieder flackert auf, dass der Dauerweltmeister, der dieses Jahr entthront werden wird, sein Team verlassen werde – aufgrund der Talfahrt der vergangenen beiden Jahre und der Perspektivlosigkeit für die neuen Motor- und Autoregeln, die ab 2026 greifen.
In der Tat hat Verstappen eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag: Rangiert er bis zu den Sommerferien nicht unter den ersten Beiden der WM-Wertung, darf er vorzeitig aus seinem Kontrakt aussteigen. Der umfasst nämlich eigentlich auch noch das kommende Jahr.
Aber wo soll er hin, der Erfolgsverwöhnte? Wer braucht ihn momentan? Reinpassen tut er auch 2026 in kein Teamgefüge. Und so könnte er in die Riege all’ jener Stars fallen, die eine Zwangspause einlegen müssen. Weil sie, so kurios das klingt, einfach zu gut sind.
Selbst Alain Prost musste schon mal solch’ ein Sabbatical einlegen. Damals gab es diesen Begriff noch gar nicht. Aber der Franzose fand für 1992 genauso wenig ein adäquates Cockpit wie es Verstappen nun drohte, sollte er seine Ausstiegsklausel ziehen. Bei Ferrari zementiert Charles Leclerc gerade seine Nummer 1-Position, indem er Lewis Hamilton entzaubert. Bei McLaren tut Oscar Piastri mit Lando Norris das Gleiche, und Mercedes hat in Kimi Andrea Antonelli einen Youngster, auf den Teamchef Toto Wolff alle Jetons für die Zukunft setzt. Und bei Ferrari gibt’s ja auch noch dessen jungendliches Pendant Oliver Bearman, der gerade bei Kundenteam Haas seine Warteschleifen dreht.
Verstappen pflegt einen völlig anderen Fahrstil als all’ die neuen Nummer 1-Fahrer. Er dirigiert das Auto über die Vorderachse, wirft sich mit aller Macht auf die Front und sieht zu, dass er das dadurch leicht werdende, auskeilende Heck irgendwie mit um die Kurven kriegt. Diese frontlästige Fahrweise ist riskant. Und kein Anderer der jungen Generation beherrscht sie.
Was im Umkehrschluss heißt: Wer Max Verstappen jetzt holt, demontiert damit perspektivisch automatisch seinen aktuellen Star – führt ihn gar sehenden Auges ins Verderben. Mercedes müsste George Russell zugunsten von Verstappen vor die Türe setzen, McLaren Lando Norris. Aber bei beiden englischen Teams ergäbe das keinen Sinn: Antonelli und Piastri sind selbst zu stark, als dass der Rennstall insgesamt durch einen Einstieg von Verstappen an fahrerischer Qualität gewönne. Bei Ferrari wäre das anders: Leclerc ist gut, aber nicht so gut wie die Anderen. Den könnte man entzaubern, indem man Hamilton durch Verstappen ersetzt und den einfach wirbeln lässt.
Doch dagegen sprechen zwei Fakten: Werksjunior Bearman, der nach erfolgter Grundausbildung bei Haas Hamilton bei den Roten ersetzen wird, ist wiederum die entscheidende halbe Liga besser als Leclerc. Also braucht auch Ferrari den teuren Verstappen nicht.
Vor allem aber braucht das Niederländer nicht das ganze Chaos, das immer noch mit Ferrari einhergeht. Leclerc hat sich gerade erst – seit der Pleite von Suzuka – getraut, dem Team zu sagen, dass er künftig bei der Abstimmung eigene Wege gehen möchte, anstatt immer das eingebaut zu kriegen, was auch Hamilton fährt. Die Ferrari-Ingenieurebene ist immer noch zu theoriegetrieben und unerfahren, als dass sie wirklich wüsste, wie man mit Rennfahrern und deren sensiblen Seelen zusammenarbeiten. Deswegen herrscht bei Ferrari immer wieder das, was Niki Lauda schon in den Siebzigern als „Grande Casino“ tituliert hat.
Und warum sollte sich Max Verstappen solch’ ein Tohuwabohu antun, das dem Erfolg dauerhaft im Wege steht?
Bleibt noch die letzte Karte: Aston Martin. Dort pflegt Fernando Alonso einen ähnlich vorderwagenlastigen Fahrstil wie der Niederländer. Das Auto und seine Charakteristik können diese Fahrweise also ab. Und bei Aston Martin arbeitet in Adrian Newey jener Mann am nächstjährigen Auto, der Verstappens Weltmeistermodelle konzipiert hat. Und zwar mit voller Konsequenz: Newey geht in keine Besprechungen, beantwortet keine Emails, sondern konzentriert sich voll auf die Entwicklung des neuen Autos.
Das wären eindeutige Pro-Argumente für die Grünen. Doch auf der Kontra-Seite steht die desolate Verfassung, in der sich das Team in dieser Saison präsentiert. Selbst wenn man den Briten zugute hält, dass sie sich voll auf 2026 konzentrieren: Gar so kreisligahaft dürfte man sich in der Frühphase noch nicht präsentieren, die Verlagerung der Entwicklungskapazitäten auf 2026 dürfte erst ab dem Frühsommer greifen – und nicht schon ab Rennen 2.
Die nicht vorhandene Leistung von Aston Martin zeigt: Es fehlt an Ingenieuren in der zweiten und dritten Ebene, welche die Entwicklungsrate und die Renneinsätze in Einklang bringen und umsetzen können. Das schreckt Verstappen hat, denn das hat er bei Red Bull gerade ganz genauso.
Also bleibt vielleicht nur das Undenkbare: ein Jahr Pause, um dann bei einem neuen Team anzudocken oder zu Red Bull zurückzukehren. Er wäre nicht der Erste in der Formel 1 – und hat auch in der aktuellen Motorsportwelt ein geradezu frappierend ähnliches Beispiel: Auch Harr Rovanperä hat sich im Vorjahr als Weltmeister ein Jahr Pause aus der Rallye-WM gegönnt, um heuer zurückzukehren. Rovanperä, ein milchgesichtiger Finne, ist jüngster Rallyeweltmeister aller bisherigen Zeiten – und erhielt von PITWALK nicht zufällig den vergleichenden Spitznamen, er sei „der Max Verstappen des Rallyesports“.
Das mag sich jetzt auf wundersame Weise umkehren.