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16.07.2024

Die Wahrheit über den lahmen Pérez


Es ist einer jener Sätze, die im Unterbewusstsein haften bleiben – und sich bei Bedarf immer wieder einen Weg bahnen in die aktive Erinnerung. Dabei ist er schon gut 10 Jahre alt; er stammt aus 2013, als Sergio Pérez noch bei McLaren fuhr.

Einer der leitenden Mitarbeiter des englischen Teams befand damals in einem nicht zitablen, gleichwohl informellen Gespräch: „Sergio ist einfach dumm.“ Und diese mangelnde Intelligenz stehe dem Mexikaner beim Streben nach besseren Resultaten im Weg.

Die Rede war nicht von der vielzitierten Rennintelligenz, sondern von handfestem Denkvermögen im ganz normalen Alltag. Natürlich bleibt der Urheber dieser sehr direkten Analyse auch jetzt geheim. Aber jeder, der sich mit der Formel 1 auskennt, kann sich denken: Es war ein Ingenieur. Also einer der schlauesten Menschen, die das Fahrerlager zu bieten hat.

Wenn man das im Hinterkopf hat, wundert die Gegenwart einen nicht mehr: Pérez ist die größte Enttäuschung der aktuellen Formel 1. Seit Rubens Barrichello an der Seite von Michael Schumacher hat kein Teamkollege gegen den ersten Mann in einem Topteam so schlecht ausgehen wie der Mexikaner jetzt. Anno 2001 sammelte der Brasilianer lediglich 46 Prozent der Punkte, die Schumacher einheimste. Der Wert des Mexikaners liegt bislang bei 54 Prozent der WM-Zähler von Max Verstappen, doch dieser Quotient verschlechtert sich von Rennen zu Rennen – und wird zu Beginn der Sommerferien nach dem Belgien-Grand Prix auch in absoluten Zahlen unter dem Schwellenwert von 100 Punkten liegen.

Wenn aber Verstappen zur Sommerpause mehr als 100 Punkte Vorsprung auf Pérez hat, dann greift eine Ausstiegsklausel in dessen an sich schon verlängertem Vertrag.

Auch ein anderer Vergleich spricht eine deutliche Sprache: Nur David Coulthard war 2007 in einem Schnitt über fünf Grand Prix-Wochenenden in der Qualifikation noch schlechter als Pérez. Aber: Der Wert von Pérez stammt schon aus dem Vorjahr, ist genau ein Jahr alt – er datiert zurück auf Silverstone 2023. Red Bull hätte also schon vor einem Jahr gewarnt sein müssen, dass der 34-jährige Mexikaner eine Fehlbesetzung ist. Und trotzdem haben die Österreicher seinen Vertrag verlängert.

Warum handelten die Limonadenrennchefs dermaßen unverantwortlich? Weil Pérez im vergangenen Jahr noch die Rolle zufiel, die Barrichello einst bei Ferrari innehatte: die des treuen Adlatus für einen Superstar in einem Team mit einem überlegenen Auto. In anderen Worten: Irgendeiner musste den zweiten Wagen ja fahren, man durfte ihn qua Reglement nicht unbesetzt herumstehen lassen. Da es in Schumi und im vergangenen Jahr in Verstappen noch zwei Fahrer gab, die im besten Auto des Feldes alles niederrannten, und ihre Teamkollegen dank der Überlegenheit des Wagens ebenfalls oft punkteten, waren die WM-Titel in der Konstrukteurswertung auch mit de facto eineinhalb Autos nur Formsache; die Fahrertitel standen sowieso nie in Gefahr. Weder Schumi noch Super-Maxe brauchen die Hilfe ihrer langsamen Mitstreiter im Schwesterauto.

Jetzt hat der Wind sich gedreht. Die Überlegenheit von Red Bull ist gebrochen; zerronnen in einer Strömung aus Skandal um den Teamchef, regel- und strafbedingten Einbußen bei der erlaubten Windkanalnutzungszeit und einem Aufhol- und Neuteilefeuerwerk vor allem bei McLaren und neuerdings auch bei Mercedes. Längst wittert vor allem McLaren Morgenluft: Teamchef Zak Brown verkündet offensiv, die Schwäche von Pérez sei die Chance für McLaren, die Konstrukteurs-WM zu gewinnen.

Und die ist das, was für ein Team wirklich zählt. Denn das Preisgeld wird anhand eines Schlüssels aufgeteilt, dessen Bemessungsgrundlage sich in drei Teile gliedert: die WM-Zugehörigkeit, die Konstanz über die Jahre – und die letzte WM-Endtabelle der Teamwertung. Je besser ein Team in der aktuellen Saison liegt, desto mehr Dollar aus den Töpfen der Serienbetreiber wandern fürs Folgejahr aufs eigene Konto.

Diese Krötenwanderung ist der wahre Grund, warum Red Bull-Teamchef Christian Horner nach der neuerlichen Pérez-Schlappe von Silverstone erstmals auch öffentlich Kritik äußerte und Alarm schlug. Verstappen wird sowieso wieder Weltmeister, das steht außer Frage. Aber der Mexikaner vertändelt für Red Bull womöglich gerade jenen zweiten WM-Titel, den der Niederländer im vergangenen Jahr mangels Konkurrenz quasi im Vorbeifahren mitgenommen hat.

Zwar bringt Pérez aus seinem Heimmarkt Mexiko eigene Sponsormillionen mit ins Team; die würden nicht mehr fließen, wenn er ausschiede. Doch die Verluste durch ein Abrutschen auf Rang 2 in der Konstrukteurs-WM kämen das Team unterm Strich teurer als das Abwandern von Werbepartner aus dem Pérez’schen Umfeld.

Außerdem gibt es in diesem Jahr erstmals eine echte Alternative; ein Eigengewächs aus der Nachwuchsförderung von Red Bull: Liam Lawson wäre auf Anhieb schneller als Pérez. Und bei der Limonadenfirma – dem Konzern in Fuschl bei Salzburg, nicht dem Rennteam in Milton Keynes – hat sich der Wind gedreht: Seit dem Tod von Gründer, Marketingass und Mäzen Dietrich Mateschitz schauen die Nachfolger wie in Großunternehmen üblich vermehrt auf Kennzahlen wie Umsatzrendite, anteilige Aufwendungen für Reklame und sonstige Kosten. Wenn die Zahlenmenschen erkennen, dass man im Team leichtfertig Millionen aufs Spiel setzt, schlagen sie in der Innenrevision andere Töne an. Das kam schon bei einigen Anlässen speziell im Motorsport, wenn dessen Aktivitäten aus der Zentrale und nicht aus den nationalen Märkten heraus gesteuert werden, vor – und hat stets Kürzungen nach sich gezogen.

Das Rennteam Red Bull kann sich Pérez schlicht nicht mehr leisten.


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