13.06.2025
Der Blick zurück ins Jahr 1991 zeigt: Michael Schumacher hat die schnellste Rennrunde gefahren – in Le Mans, beim 24-Stundenrennen in Westfrankreich. Damals ist der spätere Dauerweltmeister noch Mercedes-Junior, seine gesamte Formel 1-Zukunft hat noch nicht begonnen. Und Schumacher macht deutlich: Der Mythos Le Mans in all’ seiner Pracht – geht ihm mehrspurig vorbei.
Dieses Jahr ist Sohn Mick in Le Mans am Start. Und auch der hat sich im Vorfeld eingelassen, Le Mans sei für ihn ein ganz normales Rennen, er würde da ganz offensichtlich völlig anders denken als die ganzen sonstigen Sportwagenfahrer, die allesamt von Le Mans schwärmen und dort unbedingt gewinnen möchten – ein Sieg in Le Mans geht über den WM-Titel der angegliederten Serie.
Nun wird Mick Schumacher nicht in die Verlegenheit kommen, einen Le Mans-Sieg einordnen zu müssen. Aber trotzdem wird er nicht munter zu betonen, sein Ziel laute immer noch die Formel 1. Auch da wird wohl eher Mathilda Paatz einen Platz bekommen als der Weltmeistersohn – jene 16-jährige Kölnerin, die an diesem Wochenende in Montréal reichlich überraschend in einem Rahmenrennen vorm Formel 1-Grand Prix an den Start geht und die Deutschlands schnellste Rennmädchen auf vier Rädern ist. Quasi die Hannah Grunwald des Automobilsports.
Schumacher jr. ist für die Formel 1-Teams verbrannt, seit er bei Haas in seinem ersten Jahr viele Unfälle gebaut und die dann teamintern auf die zu leichte Schulter genommen hat. Zwar ist er inzwischen gereift, wie jeder Twen, aber die Grand Prix-Szene ist nicht bekannt für große Kulanz mit zweiten Chancen.
Außer wegen Mick Schumacher lohnt es sich in diesem Jahr nicht sonderlich, die 24 Stunden von Le Mans zu verfolgen. Der Kampf um den Gesamtsieg teilt sich in zwei Fahrzeuggattung auf. Selbst eine einst stolze Marke wie Porsche fährt de facto mit einem Zweitligisten, der technisch einfacher ist als die Hypercars von Ferrari, Toyota und Peugeot – und kann mit diesem Billigkeiner-Baukastenwagen, der auf einem Fremdchassis aufbaut und nur einen Porsche-Motor hat, das größte Wagenrennen seit Ben Hur gewinnen.
Das allein ist schon unwürdig genug.
Dazu kommt noch: Porsches Teamchef Roger Penske aus den USA – im Bild zu sehen im Gespräch mit PITWALK-Chef Norbert Ockenga – hat sich mit seinem Schwesterteam in der IndyCar gerade beim Indy 500 bei einem großangelegten technischen Betrug erwischen lassen. Und er hat mit seinem ganzen Team – inklusive der Porsche-Mannschaft – eine Audienz bei Donald Trump im Weißen Haus gehabt.
Ist das wirklich das Umfeld, in dem Porsche sich würdig repräsentiert sieht?
Und seit die Rennveranstalter dort die Autos der Ersten Liga mit einer Balance of Performance, also einer von Modell zu Modell unterschiedlichen technischen Einstufung, quasi kommunistisch gleichschalten, hat ein Le Mans-Sieg keinen sportlichen Wert mehr.
Das ist nicht das, was Mick Schumacher meinte – aber Le Mans ist durch das BoP-Gemurkse zur Bedeutungslosigkeit verdammt, es ist nur noch ein Volksfest für 300.000 meist sehr trinkfeste Besucher vor Ort, aber kein Autorennen mit Belang mehr.
Als Michael Schumacher in Le Mans fuhr, war das grundlegend anders. Er war eingebunden in ein Werksteam von Mercedes, geführt und eingesetzt von Peter Sauber, der sein Team wenig später auch in die Formel 1 gehievt hat. Jochen Mass war Schumachers Mentor, von dem unlängst verstorbenen ehemaligen McLaren- und March-Grand Prix-Star hat Vater Schumacher sein Rüstzeug für die eigene Formel 1-Karriere gelernt.
Ohne Jochen Mass wäre Michael Schumacher niemals so erfolgreich geworden. Und Le Mans, trotz aller Beliebigkeit in Schumis Augen, ein immens wichtiger Schritt auf dem Karriereweg von Michael Schumacher. Zu einer Zeit freilich, als in Le Mans noch echter Spitzenmotorsport geboten worden ist. Und in einer Epoche, als sich Jung-Michael nicht zu schade war, alles ihm Dargebotene und Dargereichte aufzunehmen, auf Rat und Lehre zu hören und wie ein Schüler seinen Horizont und seine motorsportliche Bildung zu erweitern.
Mick Schumacher hat keinen Jochen Mass, von dem er lernen könnte. Und er hat kein Le Mans, in dem er wachsen könnte. Deswegen steckt er in der Sportwagenlangstreckenszene in einer Sackgasse seiner Laufbahn.