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13.09.2023

Salut Palou


Als ob die Hotelpreise in Singapur an diesem Wochenende nicht schon teuer genug wären. Ein Zimmer wird leer bleiben, obwohl schon lange im voraus gebucht: McLaren hat Álex Palou eingebucht, denn der 26-Jährige aus der Nähe von Barcelona hätte an diesem Wochenende erstmals als Ersatzfahrer beim englischen Traditionsteam anfangen sollen.

Doch der Spanier wird nicht erscheinen. Denn er steht im Mittelpunkt einer der größten Vertragsskandale, welche die Formel 1 in letzter Zeit erschüttert haben. Und das, obwohl die Königsklasse in der Causa Palou nur ein Nebenkriegsschauplatz ist. In Wahrheit geht’s in dem Fall um die IndyCar-Serie – gern als das nordamerikanische Pendant zur Formel 1 charakterisiert, in Wahrheit aber eine Art Markenpokal, in dem identische Dallara-Chassis mit lediglich unterschiedlichen Motoren von Honda und Chevrolet eingesetzt werden.

Die IndyCar-Serie ist fahrerisch zwar die zweitanspruchsvollste Monopostoserie der Welt, aber immer noch um eine ganze Liga unterhalb der Formel 1. Sie dient traditionell immer auch als Auffangbecken für all’ jene Fahrer, die in der Formel 1 aus Alters- oder Konkurrenzfähigkeitsgründen ausgemustert werden – oder es aus den Nachwuchsformeln heraus erst gar nicht bis in die Grand Prix-Szene schaffen.

In die Kategorie der vorm Scheitern Abgebogenen gehört Palou. Der Katalane schlug in der IndyCar-Serie ein wie eine Bombe – und schöpfte dabei so viel neues Selbstbewusstsein, dass er sich schon nach seiner ersten Saison in Nordamerika doch wieder den Sprung in die Formel 1 zutraute. Darüber verhedderte er sich in einem bemerkenswerten Tüdelband aus mündlichen Zusagen mit gespaltener Zunge und Unterschriften unter allen möglichen Absichtserklärungen, die man ihm nur vorlegen konnte.

McLaren unterhält seit einer aggressiven Expansionspolitik unter dem neuen Chef Zak Brown ein IndyCar-Team. Das ist aber noch nicht auf demselben Niveau wie die Traditionsrennställe etwa von Roger Penske, Chip Ganassi oder Michael Andretti. Der Kalifornier wollte Palou von Ganassi loseisen, nachdem der Katalane sich als neuer bester Fahrer der Szene etabliert hatte. Deswegen lockte er den Spanier nicht nur mit einem Platz in der IndyCar-Mannschaft, sondern auch mit einem Testprogramm in der Formel 1, inklusive der vagen Aussicht auf einen Stammplatz. Palou erlag dem Werben, obwohl er seinem Stammteam Ganassi bereits eine Zusage für eine weitere Zusammenarbeit gegeben hatte – und Ganassi deswegen 2022 eine Pressmitteilung samt Zitat von Palou rundgeschickt hatte.

Der widersprach Palou, zog die Authentizität des Zitats in Zweifel – und sagte drei Wochen nach einer Schlichtung, die seine Anwälte mit den Justiziaren von Ganassi ausgehandelt hatten, doch noch bei McLaren zu. Für einen Dreijahresvertrag Ganassi zog dagegen gerichtlich zu Felde, gewann, Palou musste zum zweiten Mal einen Rückzieher machen und beim Team des fülligen US-Magnaten bleiben.

McLaren pocht auf die Rechtmäßigkeit seines Vertrages, der ab Singapur losgehen soll. Deswegen erfüllen die Engländer auch ihren Teil, bis hin zur Buchung des Hotelzimmers. Obwohl sie wissen: Palou wird nicht kommen. Denn er hat am vergangenen Wochenende in Laguna Seca gerade eine weitere IndyCar-Saison mit einem Titel abgeschlossen, ist seither auf der „Champion’s Tour“ mit täglichen Auftritten in Funk und Fernsehen – und geht am Dienstag in die nächste Runde der Testfahrten mit dem neuen Hybridmotor, der in der IndyCar-Serie eingeführt werden soll.

McLaren hat beim Obersten Handelsgericht des Vereinigten Königsreichs eine Schadenersatzklage gegen Palou eingereicht. Oder besser gesagt: Gegen dessen Firma ALPA Racing USA LLC. Man möchte etwa 200.000 bis 300.000 Euro zurückhaben – ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn insgesamt, sagen die Briten hinter vorgehaltener Hand, hätten sie schon 20 bis 30 Millionen verloren, da Palou sein Wort nicht gehalten habe: Kosten für die schon gefahrenen Tests im Formel 1, für die Prozesskosten der eigenen und der Gegenseite in den ersten Verfahren in den USA anno 2022 – und Verluste durch abgesprungene Sponsoren, die ihr Engagement an die Aussicht auf Palou als Meister im IndyCar-Team gekoppelt hatten.

Und fürs Hotelzimmer in Singapur.

Die IndyCar ist in dem ganzen Krimi die weit größere Baustelle als die Formel 1. Denn, trotz aller Erfolge in den Staaten: Weder Lando Norris noch Oscar Piastri hätte Palou im teaminternen Kampf um einen Formel 1-Platz bei McLaren ernsthaft gefährden können.

Palou hat sich von der eigenen Großartigkeit übermannen und von falschen Versprechungen seiner Berater in die Irre leiten lassen. Klingt nach vermeidbarer Dösigkeit? Ist es auch. Aber es erinnert auch an der Schicksal so vieler junger Musiker mit der Aussicht auf einen ersten Plattenvertrag – den sie blindlings unterschreiben und sich Jahre später wundern, dass von den ganzen Verkäufen nur Kleckerlesbeträge der sogenannten Royalities bei ihnen auf den Konten gelandet sind.

Auch im Motorsport sind solche Fehltritte nicht selten. Den letzten, den es vor dem Fall Palou gab, leistete sich – Amüsement am Rande – ausgerechnet Piastri, als er bei McLaren andockte, obschon er Alpine sich dessen Diensten für die Formel 1-Saison 2023 schon sicher war.


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