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26.05.2022

La Malédiction de Leclerc


The Andretti Curse – der Fluch der Andrettis. So nennt sich ein Teil der Motorsportfolklore rund ums Indy 500 – das größte Autorennen der Welt, das an diesem Wochenende in Indianapolis im Mittleren Westen der USA stattfindet. Denn bei der Highspeed-Orgie im Oval hat lediglich Mario Andretti, der Formel 1-Weltmeister von 1978, das Indy 500 ein einziges Mal gewonnen. 1968 war das. Weder Sohn Michael noch Enkel Marco haben es seither geschafft, den Sieg des Herrn Papa zu wiederholen. Und das Familienoberhaupt sowieso nicht.

Nun schickt sich Ferrari-Fahrer Charles Leclerc an, die Annalen des Rennsports um La Malédiction de Leclerc zu bereichern – den Fluch des Leclerc also. Denn die Bilanz des Ferraristi beim Großen Preis von Monaco liest sich wie ein kleines bisschen Horrorshow:

2017 Formel 2, Rennen 1: Aufhängung
2017 Formel 2, Rennen 2: Elektrik
2018 Formel 1, Rennen: Bremsen
2019 Formel 1, Qualifikation: kapitaler Strategiefehler
2019 Formel 1, Rennen: Unfall
2021, Formel 1, Qualifikation: Unfall
2021, Formel 1, Rennen: Antriebswelle
2022, Histo-GP: Unfall

Und das ausgerechnet bei seinem Heim-Grand Prix und einem der prestigeträchtigsten Rennen im Kalender. Denn Leclerc ist einer der Wenigen, die tatsächlich aus Monaco stammen und einen monegassischen Pass haben. Die meisten Einwohner des Fürstentums sind lediglich in die engen Gassen und die nüchternen Häuserschluchten gezogen, weil sie dort weniger Steuern zahlen müssen als in ihren Heimatländern. Doch Leclerc und der ehemalige Le Mans-Sportwagenpilot Olivier Beretta stammen tatsächlich gebürtig aus Monte Carlo.

Erst der Unfall beim Histo-Grand Prix vor zwei Wochen hat den drohenden Leclerc-Fluch so richtig offenbar gemacht: Bei diesem Festival des Rennsports mit altehrwürdigen und geschichtsträchtigen Rennwagen stopfte Leclerc als Gastfahrer jenen Ferrari, in dem Niki Lauda 1976 Weltmeister wurde, in der Rascasse – der letzten Kurve vor Start und Ziel – rücklings in die Leitplanken. Bei solchen Unfällen im Historischen Motorsport werden dann gleich mal Millionenbeträge vernichtet.

Leclerc hatte eine gute Entschuldigung: Er konnte ja nichts dafür. Denn ihm war beim Anbremsen eine der beiden linken Bremsscheiben gebrochen. Und mit dem damit einhergehenden Verlust der Verzögerungsleistung war die Kurve beim besten Willen nicht mehr zu nehmen.

Der Crash von Leclerc im Ex-Lauda-Ferrari war nicht der einzige Schaden, den das geschichtsträchtige Auto beim Histo-GP von Monaco hinnehmen musste: Im Jahr zuvor hatte Marco Werner, der dreifache Gesamtsieger der 24 Stunden von Le Mans, genau dieses Auto von hinten Volley genommen – nachdem Jean Alesi, den der Dortmunder gejagt hatte, sich vor ihm verschaltet hatte: runter statt rauf, damit voll in die Motorbremse statt in eine Beschleunigung – Werner hatte keine Chance, den Auffahrunfall zu vermeiden. Doch über den Ex-Profi, der mittlerweile im Histo-Sport eine neue Heimat gefunden hat, brach danach ein Shitstorm sondergleichen herein, der Werner heute noch wurmt. Weil keiner seine Version geglaubt hat, sondern alle nur den großen Jean Alesi vergötterten.

Nun hat der Historische Motorsport keine direkte Bewandtnis für den Grand Prix von Monaco an diesem Vatertagswochenende. Doch ein Menetekel ist der Unfall von Leclerc gleichwohl: Dem Monegassen gleitet gerade die WM durch die Finger. Zu viele Un- und Ausfälle in den letzten Rennen haben dafür gesorgt, dass Weltmeister Max Verstappen sich gar nicht sonderlich anstrengen musste, um plötzlich wieder auf Schlagdistanz zu kommen. Und ausgerechnet in Monaco dürfte sich diese Tendenz fortsetzen. Selbst wenn Leclerc ins Ziel kommt: Der Red Bull-Honda ist momentan klar das stärkste Auto.

Und in den engen Gassen im Fürstentum an der Côte d’Azur zündet auch das Upgrade, das Ferrari für Barcelona gebracht hat, nicht. Weil der Stadtkurs so langsam ist, muss man mit maximal möglichem Geflügel fahren. Ferrari hat sein Update aber auf bestmögliche aerodynamische Effizienz bei Medium-Downforce ausgelegt. Die Aerodynamik des Red Bull, mit ihrer einzigartigen Nutzung der heißen Abluft aus den Kühleraustrittsöffnungen, generiert mehr absoluten Abtrieb – das Nonplusultra für Monaco.

Die WM, die schon in Richtung Tristesse abgefahren schien, nimmt ganz plötzlich neue Fahrt auf. Weil Ferrari Punkte zu verschenken hat.


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