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01.09.2023

Der geplatzte Durchmarsch


Die Statistiker wetzen schon die Exceltabellen. Max Verstappen ist drauf und dran, dieses Jahr alle Rekorde zu brechen. Und Red Bull gleich dazu: Den Engländern könnte es als erstem Team der Geschichte gelingen, jeden einzelnen WM-Lauf des Jahres zu gewinnen.

Die Gedanken an den möglichen Bestwert überkommen einen gerade an diesem Wochenende. Denn in Monza wurde anno 1988 der letzte Durchmarsch eines Teams vereitelt: Im Königlichen Park fand damals das einzige Rennen jenes Jahres statt, dass nicht von einem der beiden McLaren-Fahrer Ayrton Senna und Alain Prost gewonnen wurde.

Und wie. Eine Aneinanderreihung von Kuriositäten bringt Senna damals um einen schon sicher geglaubten Sieg. Die Geschichte ist noch heute einfach genial, also schwelgen wir doch gemeinsam in Erinnerungen.

Williams-Star Nigel Mansell muss sich in der Woche vor dem Rennen wegen Windpocken abmelden. Eigentlich hätte Martin Brundle ihn vertreten sollen. Der Engländer hat nach 1987 bei Zakspeed – einem Kultteam aus der Eifel, das sich mit eigenem Motor und Auto in die Formel 1 gewagt hatte – in den Sack gehauen und stattdessen beim Jaguar-Team von Tom Walkinshaw für die Gruppe C-Langstrecken-WM angeheuert. Walkinshaw erteilt Brundle keine Freigabe als Mansell-Ersatz.

Die Geschichte von Zakspeed wird übrigens in der neuen Ausgabe der Zeitschrift PITWALK erzählt – von Teamchef Erich Zakowski höchstpersönlich. Die Eifel-Legende erzählt im nächsten Heft erstmals alles über sein Formel 1-Abenteuer: https://www.pitwalk.de/pitblog/die-ganze-geschichte

Weil TWR den englischen Hanseaten Brundle gesperrt hat, verpflichtet Williams für Monza 1988 stattdessen den zweitbesten Fahrer aus der damaligen Sportwagen-Szene als Mansell-Krankheitsvertretung: Jean-Louis Schlesser, seinerzeit bei Sauber-Mercedes in der Gruppe C unterwegs – und mit den Eidgenossen sogar schon mal im Supercup auf dem Flugplatz von Diepholz am Start.

Die Erinnerung daran befleißigt einen spontan zu einem Blick ins Fotoalbum. Denn damals ist der heutige PITWALK-Chef Norbert Ockenga als glühender Gruppe C-Fan im Fahrerlager. Schlesser und Co. haben die Saat des Journalismus in den Schüler gesät.

Es ist eine Zeit, in der der deutsche Rennsport noch floriert und internationale Stars anzieht – nicht so wie heute, wo ein Heer Namenloser in GT3-Sportwagen sogenannte Tourenwagenserien bestreitet, vor leeren Rängen.

Aber in ungefähr derselben Epoche spielte ja auch Black Sabbath ihr allererstes Konzert mit dem neuen Sänger Ronnie James Dio in der Auricher Stadthalle. Es waren halt andere Zeiten hierzulande.

Jedenfalls, Schlesser ist damals schon 40, als er zu seinem Grand Prix-Einstand kommt. Und mit dem Williams in Monza reichlich überfordert.

An der Spitze tobt das ganze Jahr über ein erbittertes Stallduell zwischen Senna und Prost bei McLaren. In Monza führt Senna vor dem Franzosen. Der wird von Fehlzündungen geplagt, denn eine kaputte Einspritzdüse legt die Spritzufuhr in einen Zylinder lahm, sein Motor läuft deswegen zu mager und knattert an der Ausfallgrenze vor sich hin. Prost reichert vom Cockpit aus die Gemischanreicherung an – im sicheren Wissen: Dann verbraucht der Honda-Motor so viel, dass er nicht mit der höchstens erlaubten Benzinmenge von 150 Litern ins Ziel kommt. Er wird mit trockengefallenem Tank liegenbleiben.

Also entwickelt er einen Plan: den Ausfall in Kauf nehmen – dafür aber so schnell fahren zu können, dass Senna sich unter Dauerdruck sieht, entweder einen Fehler macht oder auch seine Gemischanreicherung so weit hochdrehen muss, dass er mit dem Sprit ebenfalls nicht auskommt. Der Plan geht auf. Senna fährt immer riskanter, verteidigt aber seine Führung.

Prost scheidet früher aus als erwartet, da sein Motor einen Knacks weggekriegt hat. Doch da ist Senna mit dem Verbrauch schon im Minus. Er spart sich im Bummeltempo wieder zurück, muss aber achtgeben, dass er den zweitplatzierten Gerhard Berger in einem Ferrari nicht auf Schlagdistanz rankommen lässt.

Deswegen riskiert er zwei Runden vor Schluss beim Überrunden von Schlesser zu viel. Eigentlich hätte er sich in der Schikane hinter den Franzosen anstellen und ihn auf der folgenden Gerade passieren können. Das aber erscheint Senna zu riskant; dann wäre Berger womöglich rangekommen. Drum will er sich an Schlesser vorbeipressen. Der sieht den Brasilianer, macht auf, schaut immer wieder in den Spiegel – und wundert sich, warum es so lange dauert, bis Senna sich für eine Linie unterscheidet.

Der nämlich denkt ungewöhnlich lange nach, ob er nun Überrunden soll – oder warten. Als er sich entscheidet, muss irgendwann auch Schlesser einlenken. Sonst würde er geradeaus fahren und womöglich ausfallen.

So lenkt der Franzose in die Spur des rechten Hinterrads von Senna. Dessen McLaren stolpert über das linke Vorderrad des Williams, hebt kurz ab – und dreht sich ins Aus.

Berger erbt den Sieg vor seinem Teamkollegen Michele Alboreto – beim ersten Rennen nach dem Tode ihres Teamchefs Enzo Ferrari.

Monza kocht, Senna hadert, Schlesser verzweifelt. McLaren wird nach Monza bis zum Jahresende wieder jedes einzelne Rennen gewinnen.

Das Maximum aber hat ein tollpatischiger Unfall ihnen vermasselt. Sodass aus Max Verstappen nun König Maximum I. werden kann.


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