+++ 2024-08-29 19:14 : Blog – warum will niemand Mick Schumacher? +++ 2024-08-18 11:14 : Blog – der unsinnigste Vergleich des Jahres +++ 2024-08-08 17:24 : Podcast – Erinnerungen an Speedwaystar Tommy Dunker. Interview von Norbert Ockenga mit Weggefährte und Rivale André Pollehn +++
BACK

11.04.2025

Tränen bei BMW


Es fließen viele Tränen dieser Tage in München. BMW hat eine Sammlung von historischen Autos, sowohl Serien- als auch Rennwagen. Doch im Zuge des allgemeinen Kostendrucks in der Automobilwirtschaft muss BMW Classic gerade einen Großteil der Motorsportler in dieser Sammlung verkaufen: Rennautos, aber auch alte, geschichtsträchtige Formel 1-Motoren wechseln gerade zum Spottpreis den Besitzer.

Der Ausverkauf ist initiiert worden, weil die Abteilungsleiter der Klassiker nur so die Genehmigung erhalten, mit den verbleibenden Autos werbeträchtige Veranstaltungen der Automobilhistorie zu beschicken und so noch Reklame für die Marke zu machen. Das Festival of Speed in Goodwood etwa, oder die Villa d’Este.

Es ist schon eine zynische Ironie des Schicksals, dass BMW dabei in ein altes Verhaltensmuster zurückfällt: Vor zwei bis vier Jahren gab es schon mal eine Phase, da haben die beiden bayerischen Rivalen BMW und Audi alle motorsportlichen Entscheidungen so getroffen, als hätten sie sich abgesprochen. Sie haben sich sogar gegenseitig das Personal an der Spitze der Rennabteilungen abgeworben. Ohne dass dabei die Kompetenz am Steuer gesteigert worden wäre allerdings.

Die BMW-Sammlung umfasste bislang Preziosen: revolutionäre Turbomotoren mit mehr als 1.000 PS etwa, getunt und konzipiert von „Nocken-Paule“, dem eigensinnigen Motorenpabst Paul Rosche. In den frühen Achtzigern schon ist BMW damit Weltmeister geworden, mit Nelson Piquet. Die Mitarbeiter der Klassikabteilung kennen deren Wert, sowohl materiell als auch ideologisch – und auch für den Wert der Marke.

Jetzt geht alles für ‘n Appel und ‘n Ei an Millionäre, die damit ihre private Sammlung bereichern. Genau wie auch ein ganzes Rudel alter Audi von den 24 Stunden von Le Mans und sogar dem DTM, denn Audi verscherbelt auch sein Tafelsilber und gibt seine Tradition auf. Alles nur, um Geld einzusammeln für den Ausbau von E-Autowerken, gegen Trump’sche Zölle und Überkapazitäten, die man nicht mehr in den Markt gedrückt kriegt.

Kenner sind erschüttert, Buchhalter entzückt. Die deutschen Werke geben freiwillig ein Teil ihrer Historie und auch ihres Mythos’ auf, zugunsten von noch mehr Einnahmen und geringeren Kosten. Denn man darf nicht übersehen: Alle deutschen Hersteller erzielen immer noch hohe, sehr hohe Millionengewinne. Von einer Krise, einer existenzbedrohlichen gar, kann keine Rede sein. Aber das Diktat des Aktienkurses und damit der Kennzahl der Umsatzrendite – bei Autoherstellern mindestens 13 Prozent – hat längst Priorität eingenommen vor dem eigentlichen Unternehmenszweck, dem Bau und Verkauf von Kraftfahrzeugen.

Diese Entwicklung macht es für die Abteilungsleiter unausweichlich, Entscheidungen wie den Abverkauf alter Formel 1-Motoren bei BMW zu fällen. Denn mit den Finanzwerten, die sie den Vorgesetzten aus ihren Abteilungen präsentieren können, empfehlen sie sich für die nächste Beförderung. Es geht nach dem Peter-Prinzip.

Dass betuchte ältere Herrschaften Formel 1-Gebrauchtwagen sammeln, ist nicht neu. Viele verschwinden in Sammlungen, privaten Museen ohne öffentlichen Zugang. Manche tauchen bei Rennen des sogenannten Historischen Motorsports wieder auf: Die Besitzer zwängen sich in die Cockpits und bewegen die Grand Prix-Gebrauchen dann im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten. Die liegen stets weiter unter den Möglichkeiten der Technik der Wagen, selbst wenn die Boliden schon sehr alt sind.

Deswegen sind Veranstaltungen wie etwa das Hockenheim Historic, das alljährlich in Deutschland die Saison der Historiker einläutet, stets eine zweischneidige Geschichte: Wenn man sie unter der Prämisse eines rollenden Museums besucht, dann kann man da viel Freude haben und staunen. Man sieht alte Technik, detailgetreu restauriert oder mit neuen Teilen anhand der alten Pläne nachgebaut. Aber wenn man weiß, zu was die Monsterautos der Formel 1 technisch tatsächlich fähig sind – dann hinterlässt der sportliche und fahrerische Wert des Gebotenen einen doch eher betroffen und desillusioniert.

Andererseits: Niemand geht ja ins Museumsdorf Cloppenburg, um dort Inspiration für seinen eigenen Neubau zu holen.

Deswegen sind Veranstaltungen des Historischen Motorsports durchaus ein Schmankerl. Man kann nur hoffen, dass möglichst der Panikverkäufe von BMW den Weg zu solchen Rennen finden – und nicht in privaten Kellern oder Hallen als Stehrümche ihr Dasein fristen müssen. Wenn schon die Hersteller ihrer Verantwortung nicht gerecht werden – dann doch wenigstens die Profiteure von deren Managemententscheidungen, also die Privatiers.


Teile diesen Beitrag

Das könnte auch interessant sein:

  • 16.04.2025

    McLaren lacht sich kaputt

    McLaren-Teamchef Zak Brown kommt dieser Tage aus dem Lachen gar nicht mehr raus. Dem beleibten Kalifornier gelingt das, was einst der Traum des vorigen McLaren-Chefs und -Minderhei…
  • 11.04.2025

    Tränen bei BMW

    Es fließen viele Tränen dieser Tage in München. BMW hat eine Sammlung von historischen Autos, sowohl Serien- als auch Rennwagen. Doch im Zuge des allgemeinen Kostendrucks in der Au…
  • 03.04.2025

    Von Ast und Säge

    Man muss sich schon wundern, wes Geistes Kind manche Leute sind. Etwa am Montag, bei einer Fahrveranstaltung von Dacia in Lünen, als ein Kollege, der sich mit Autotests befasst, in…
  • 25.03.2025

    Formel 1 und mehr

    Die neue Ausgabe der Zeitschrift PITWALK unterstreicht ein Mal mehr, warum das Magazin von Eurosport-Kommentator Norbert Ockenga und seinem Team die Nummer 1 unter den deutschen Mo…
  • 21.03.2025

    Verflucht und zugenäht

    Vielleicht wäre es an der Zeit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Denn bereits seit dem vergangenen Jahr macht der Automobilweltverband FIA einen Nebenkriegsschauplatz auf – …
  • 13.03.2025

    British Racing Days

    Mit dem Formel 1-Saisonauftakt ist es irgendwie wie mit Weihnachten: Man weiß genau, wann er ist – aber er kommt dann doch immer viel zu schnell und hopplahopp. Den Teams gehen auc…
  • 11.03.2025

    Wo gibt's noch ehrlichen Sport?

    Hallo liebe PITWALKer, wir haben den Winter genutzt, um mal gründlich nachzudenken. Wo gibt es heutzutage noch echten, puren Motorsport; Sport also, wie wir alle ihn am liebsten m…
  • 03.03.2025

    Daten-Träger

    Daten lügen nicht. Und der Blick auf die Podcastcharts für Onlineradio mit Sportinhalten weist seit Tagen konstant Erfreuliches aus: PITCAST, der Podcast Eurer Lieblingszeitschrift…
  • 28.02.2025

    Charts-Stürmer

    Die Erfolgsstory der PITWALK-Collection geht weiter. PITCAST, die Podcastreihe von Deutschlands größter Motorsportzeitschrift, erklimmt am Freitag wieder Platz 1 der relevanten Cha…
  • 20.02.2025

    Vorm Wahltag

    Unlängst führte der Dienstweg nach Südafrika. Eine weite Reise – mit viel Zeit zum Lesen. Und sich über das Gelesene zu wundern. Da wird etwa in einer Ausgabe von Der Spiegel dar…
  • 22.01.2025

    Mehr Wüsten wagen

    Na gut, die Rallye Dakar mag vorbei sein. Aber das ist kein Grund, dem Marathonrallyesport jetzt den Rücken zu kehren. Denn nach der Dakar ist immer auch mitten in der WM – mit ein…
  • 03.01.2025

    Breaking News – neu auf PITWALK TV!

    Und gleich noch eine Neuigkeit im digitalen Angebot der PITWALK-Collection, die pünktlich zum Start der Rallye Dakar 2025 online geht. Ab sofort gibt es bei den Shorts von PITWALK …
2025 – BILD-PUNKTE LAREUS.MEDIA