14.03.2022
Der Entwicklungswettlauf in der Ersten Liga der Sportwagen-WM hat begonnen. Und das, obwohl die Hypercar-Klasse eigentlich genau das hätte unterbinden sollen – mit einem festen Korsett von sogenannten Leistungsfenstern, in das einzelne Teilbereiche der Autos passen müssen.
Doch die Hypercarklasse ist noch jung, und die Regelmacher der WM und der 24 Stunden von Le Mans doktern selbst noch an ihren Regularien herum. Schließlich gilt es, Hecktriebler wie die Glickenhaus und Teilzeit-Allradler wie die Toyota unter einen Hut zu bringen – obwohl die Allradler bei der Traktion und dem Reifenverschleiß einen erheblichen Vorteil gegenüber den Glickenhaus' haben.
Um diesen Vorsprung besser egalisieren zu können, haben die Veranstalter die Balance of Performance – also den Gleichschaltungsmechanismus verschiedener Fahrzeugkonzepte – für 2022 um einen Parameter ergänzt: Das Tempo, ab dem ein Hypercar mit Hybridantrieb den Allradantrieb zuschalten darf, ist nicht mehr starr geregelt – sondern kann erstmals von Rennstrecke zu Rennstrecke angepasst werden.
Bislang durften sich die Elektromotoren, die in den Toyota die Vorderachse mit rekuperiertem Strom aus den Akkus der Hybridanlage antreiben, stets ab 120 km/h zu Wort melden und die GR010 kurzfristig von Hecktrieblern zu Allradlern umwidmen. Jetzt wird dieser Grenzwert je nach Streckencharakteristik für jedes Wochenende neu festgelegt.
Toyota hat darauf reagiert und die Reifen- und Felgengrößen seiner Hypercars geändert. Statt ringsum mit 13-Zöllern rücken die Boliden nun vorn auf 12,5 und hinten auf 14 Zoll breiten Pneus aus. Damit entspricht die Reifengröße hinten nun den Dimensionen der Glickenhaus-Boliden – eine Veränderung, die dazu beitragen soll, das Management der Hinterreifen besser in den Griff zu kriegen. Weil der Allradantrieb de facto seltener genutzt werden wird, braucht man vorn weniger Auflagefläche – und kann deswegen zugunsten besseren Kraft-auf-den-Boden-Bringens hinten auf breitere Reifen setzen. Das enge Regelkorsett lässt nur diese beiden Optionen zu: entweder ringsrum 13 Zoll oder die nun in Köln-Marsdorf gezogene Variante.
Eine neue, verlängerte Finne auf der Motorhaube und ein anderer Heckflügel sind die weiteren Neuerungen, mit denen die beiden Toyota bereits am Wochenende beim Prolog – dem Vortest – vorm WM-Auftakt in Sebring ausgerückt sind.
Auch Glickenhaus hat seinen Eigenbauten neue Heckflügel spendiert. Dazu gibt es eine völlig neue Bremsanlage, die nun ebenso arbeitet wie jene in den Toyota – was den Fahrern die Möglichkeit eröffnet, viel tiefer in die Kurven hineinzubremsen. Alle technischen Hintergründe zur neuen Bremse und den anderen Technikfeatures des neuen Glickenhaus für 2022 stehen in dieser großen Geschichte in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift PITWALK: https://www.pitwalk.de/pitwalk/ausgabe-65
Darin wird auf 14 Seiten die Technik des Glickenhaus-Hypercars fachkundig und mit bisher nicht gekannten Hintergründen entblättert und erklärt.
In derselben Ausgabe steht auch ein Interview mit dem Rallye-Dauerweltmeister Sébastien Ogier, der verrät, wie er an seinem Umstieg zu Toyota in die Sportwagen-WM arbeitet. Und einen große Hintergrundgeschichte über den bevorstehenden Einstieg von Porsche in die LMDh, also in die Erste Liga der WM, von Le Mans und der IMSA-Serie, mit Penske anno 2023.
Die Modifikation an den Bremsen, die PITWALK-Chefredakteur Norbert Ockenga in der großen Technikgeschichte im neuen Heft enthüllt, geht übrigens auch auf eine Anpassung der Regeln zurück, die für 2023 erfolgt ist. Bislang war jene Technik, die nun in den Glickenhaus arbeitet, für die Hecktriebler verboten – für die Allradler aber sehr wohl erlaubt. Im Zuge einer besseren Chancengleichheit hat man diese Untiefe eingeebnet.