07.03.2024
Ein bisschen Menschlichkeit kann gerade nicht schaden. Daher lohnt sich ein Blick in die Box des Haas-Teams, wenn die Fernsehkameras mal reinschwenken in die Hälfte von Kevin Magnussen. Denn immer, wenn der Däne sich aufschürzt mit Helm, Nackenschutz und Handschuhen, spielt sich da immer ein Ritual ab: Ein Mechaniker reicht nicht etwa Magnussen die Handschuhe – sondern dessen kleiner Tochter Laura, die mit großen Augen auf dem rollenden Werkzeugschrank vor Papa sitzt.
Klein-Laura – noch nicht mal im Grundschulalter – gibt ihrem Vater dann mit konzentrierter Miene die feuerfesten Handschuhe. Sie hält sie ihm nicht nur hin, sondern gleich auf und hilft ihm hinein. Und als letzte Handlung, ehe der bärtige Teamkollege von Nicolas Hülkenberg zum Auto schreitet, klappt die Kleine ihm noch das Helmvisier zu. Dann guckt sie ihrem Papa mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Stolz hinterher.
Solche menschelnden Bilder sind selten geworden im Fahrerlager, seit Horner-Gate und nun auch der Eklat um den FIA-Präsidenten Mohammed Bin-Sulayem die Szene beherrschen. Zwar hat Geraldine Estelle Horner, besser bekannt als Geri Halliwell im Union Jack-Kleidchen bei den Spice Girls, ihrem Gatten Christian beim letzten Lauf in Bahrein auch händchenhaltend und küssend den Rücken gestärkt. Aber so richtig innig war das nicht, denn ihr Gesicht sah dabei aus, als drehe sie gerade eine Schraubzwinge zu.
Die Aneinanderreihung von Leaks, Enthüllungen und Skandalen lässt die Formel 1 momentan wirken wie eine Mischung aus „Dallas“ und „Spïnal Tap“ – jener Rockmusikkomödie, in dem die immer dekadenter und skurriler werdenden Hair Metal-Bands Kaliforniens ob ihrer Exzesse und Tollpatschigkeiten zu Karikaturen ihrer selbst verspottet werden. Gibt die Formel 1 sich auch gerade der Lächerlichkeit preis?
Sportlich geht es enger zu, als man nach Bahrein denken könnte. Zwar hat Max Verstappen dort auch mit meilenweitem Vorsprung gewonnen. Doch in der Qualifikation lagen die Kontrahenten deutlich dichter am Niederländer dran als im ganzen vergangenen Jahr, von Singapur 2023 mal abgesehen. In den Rennen standen die besten Ferrari und Mercedes sich selbst im Wege: Bei Charles Leclerc war die eine Vorderradbremse um 100 Grad heißer als die andere, sodass der Wagen in den Bremszonen dauernd auf eine Seite zog. Und die Mercedes arbeiteten mit zu kleinen Kühlluftöffnungen an der Karosserie, sodass die Daimler überhitzten und die Motoren nicht die volle Leistung abrufen konnten.
Das sind zwei Fehler, die für Dschidda ohne viel Federlesens ausgemerzt werden können. Und die McLaren sind die Saudi-Arabien auch näher dran als beim ersten Grand Prix im Nahen Osten: Auf dem ultraschnellen Stadtkurs sind die meisten Kurven erheblich schneller als auf der Insel im Golf, und die McLaren sind in langsamen Kehren immer noch zu schwerfällig in eine Drehbewegung zu lenken. In schnellen Ecken liegen sich dagegen mindestens so gut wie die Ferrari und Mercedes.
Trotzdem haben die Verfolger nur eine Chance: Sie müssen sich in der Qualifikation vor Verstappen und dessen Teamkollegen Sergio Pérez klassieren. Nur dann können sie die Dramaturgie des Rennens für ihre eigenen Stärken ausnutzen, indem sie den Taktstock in die Hand nehmen und dem Rennen ihren eigenen Rhythmus aufzwängen. Wenn die Red Bull frei fahren und ihre eigene Strategie umsetzen können, dann ist auf lange Sicht gegen sie kein Kraut gewachsen. Man muss sie von der Spitze aus einbremsen, indem man ihren Rhythmus bricht.
Ob das in Dschidda schon klappt, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Bullen fahren in Saudi-Arabien mit deutlich mehr Abtrieb als die Konkurrenz, nimmt eine kleine Topspeedeinbuße in Kauf, ist aber in den Kurven dafür deutlich schneller als die Gegnerschaft. Und in Bahrein trat noch eine zweite Eigenschaft zutage: Die RB20 sind reifenschonender als alle anderen Modelle. Das wurde im Schlusstörn offenbar: Da waren die Red Bull auf weichen, alle anderen auf harten Pneus unterwegs. Und die genaue Zeitenanalyse zeigt: Die weichen Reifen bauten nicht schneller ab als die harten an den Wagen der Konkurrenz.
Die Qualifikation ist damit in diesem Jahr das alles entscheidende Element eines Rennwochenendes – und damit spannender anzusehen als die Rennen an sich. Und erst recht als der ganzen Seifenoperklamauk drumherum.