16.08.2022
Die Stimme klingt matt, irgendwie gebrochen. „Meine Saison ist zu Ende“, meldet Kai Huckenbeck tonlos, „jetzt geht es erst mal darum, die Reha zu organisieren.“
Der 29-jährige gebürtige Wuppertaler liegt im Krankenhaus von Greifswald und wartet darauf, dass er verlegt werden kann in seine emsländische Heimat – denn er ist in Werlte, einer Bahnsporthochburg im Nordwesten, aufgewachsen. „Entweder Donnerstag oder Freitag“ solle es losgehen, „das kommt auf die Transportkapazitäten vom ADAC an“.
Dabei war der zweifache Deutsche Speedwaymeister gerade in bestechender Form, hätte am Sonnabend in Glasgow sogar über die Grand Prix-Challenge den Einzug in die WM 2023 schaffen wollen. Und am Freitag voriger Woche gewann Huckenbeck reichlich souverän den zweiten von drei Läufen der neuen Rennserie German Speedway Masters in Teterow in der Mecklenburgischen Schweiz.
Doch jetzt liegt er mit einem gebrochenen Becken und einer gebrochenen Speiche in Greifswald im Spital – nach einem Unfall beim Bundesliga-Eintagesfinale in Stralsund am Samstag nach dem großen Teterow-Triumph. „In der ersten Ecke ist mir Lukas Baumann hintendrauf gefahren; ich hatte einen Highsider, bin abgestiegen, und Sandro Wassermann ist über mich drüber gefahren“, erinnert sich Huckenbeck. „Dabei muss der Motor in meinen Rücken gedrückt worden sein.“
Wassermann brach sich bei dem auf Fotos dramatisch aussehenden Massensturz ein Schlüsselbein, Huckenbeck erwischte es in einem Wust von Menschen und Maschinen deutlich schlimmer.
Nach einer langen Behandlung auf der Bahn kam der zurückhaltende, stets ein bisschen ernst wirkende Norddeutsche ins Krankenhaus, wo er erst seit Dienstag überhaupt schmerzfrei ist. „Die Speiche ist vorn gebrochen, da reichen vier Wochen in einer Schiene“, rekapituliert er. „Und das Becken ist zum Glück ein glatter Bruch, der muss nicht operiert werden. Ich liege nicht mal in einem Korsett. Angeblich dauert es sechs Wochen, bis das Becken von sich aus wieder zusammengewachsen sein wird.“
Dieses Jahr noch fahren zu können, erachtet Huckenbeck damit als illusorisch. „Ausgerechnet bei einem Rennen, bei dem ich nur aus reiner Loyalität gefahren bin, muss so etwas passieren“, knirscht er. „Vielleicht sollte man sich genauer überlegen, ob man bei solchen Veranstaltungen künftig noch an den Start geht.“
Im Paul-Greifzu-Stadion trat Huckenbeck für den früheren Bundesligameister MSC Brokstedt an, einen Traditionsverein von unweit der A7 nördlich von Hamburg. Die Wikinger wurden chancenlos dritte von vier Mannschaften – auch, weil Junior Norick Blödorn fehlte, da er kurzfristig für den Speedway-Junioren-Grand Prix nach Cardiff nachnominiert worden war und das Regelwerk keine Umstellung der Mannschaft mehr erlaubte, sodass die Brokstedter in allen Blödorn-Rennen einen Startplatz leer lassen mussten. Der Titel ging an die Heimmannschaft MC Nordstern Stralsund, für die unter anderem Huckenbecks Unfallgegner Baumann ans Band rollte.
Ironie des Schicksals: Die böse Verletzung von Huckenbeck sorgt mittelbar dafür, dass dem German Speedway Masters am 15. Oktober in Dohren ein packendes Finale ins Haus steht. „In Dohren“, bedauert Huckenbeck, „bin ich dieses Mal nur als Zuschauer dabei.“ Stattdessen kann der Tabellenführer, das Emsland-Speedwayteam Dohren, den dänischen Ersatzfahrer Mads Hansen nominieren. Der 22-Jährige, der in Sichtweite zur norddeutschen Insel Sylt auf dem dänischen Festland lebt, hatte Huckenbeck schon beim Saisonauftakt zu Fronleichnam in Olching vertreten. Für Teterow hatte Dohrens Teammanager Tobias Kroner ihn an die neue Fahrgemeinschaft von Diedenbergen und Berghaupten ausgeliehen. Dort ersetzte Hansen – je nach Blickwinkel – den langzeitverletzten Schwarzwälder Max Dilger oder dessen eigentliche Vertretung Robert Lambert aus Norwich, der am Tag des GSM-Rennens beim Grand Prix von Cardiff schon in der Qualifikation ran musste.
Hansen übernahm in Teterow mit Rang 3 hinter dem souveränen Huckenbeck und seinem Dohrener Teamkollegen Norick Blödorn sogar die Führung in der GSM-Gesamtwertung – wäre aber unter normalen Umständen in Dohren am 15. Oktober trotzdem nicht zum Einsatz gekommen, da er von der dortigen Heimmannschaft nur als Reserve aufgestellt ist. Ausgerechnet das Verletzungspech seines Teamkollegen Huckenbeck sorgt nun dafür, dass Mads Hansen im goldenen Herbst im Emsland um den Titel im German Speedway Masters kämpfen kann.
Und, gleich noch Mal Ironie des Schicksals: Hansen ist selbst reichlich lädiert. Der Nordmann fährt seit einem Sturz mit einem abgesplitterten Knochen am äußersten Ende der rechten Schulter. „Da ist der Unterarmknochen nach oben reingeschoben worden“, schildert Hansen.
Vater Torben – nicht nur Mads’ Mechaniker, sondern auch ehrenamtlich helfende Hand beim Traditionsverein in Vojens – verdreht die Augen: „Die Ärzte haben eigentlich gesagt: vier bis sechs Monate Pause. Aber nach vier Tagen ist er schon wieder gefahren.“
Warum auch nicht, findet der U19-Weltmeister von 2017: „Beim Fahren merkst du von der Verletzung nichts. Nur nach den Rennen fühlt sich die Schulter ein bisschen müde an.“