13.01.2022
Bisha liegt 1.200 Meter über dem Meeresspiegel. Rund um die Oase mitten in Saudi-Arabien entspinnt sich am Donnerstag die vorletzte Etappe der Rallye Dakar – in einer 346 Kilometer langen Schleife.
Acht Dünenfelder mit Dünen der Kategorie 3 – besonders hoch und aus extrem weichem Sand – stehen auf dem Programm zwischen Bisha und Mekka. Und erneut geht es hoch hinaus – nachdem weite Teile der mittwöchlichen Speziale sich sogar auf bis zu 1.600 Metern über Normalnull emporgeschraubt hatten.
Der heutige Donnerstag gilt als die Königsetappe der diesjährigen Dakar – und hat bei den Autos doch ein ziemlich vorhersehbares Ergebnis: Unter normalen Bedingungen sind die Audi e-tron quattro in diesem Gelände nicht zu schlagen. Das zeigte auch der Verlauf der gestrigen Wertungsprüfung.
Die Höhenlage und die damit verbundene dünne Luft sind der Schlüssel. Denn – man kennt das von der Rundstrecke etwa aus Mexiko-Stadt, Interlagos oder Kyalami – normale Saugmotoren büßen in der sauerstoffarmen Luft Leistung ein, weil ihre Gemischanreicherung mit der dünnen Luft nicht effizient genug funktioniert. Platt gesagt: Die Explosion des Benzin/Luftgemischs in den Zylindern detoniert weniger wuchtig als tiefer oder gar auf Meereshöhe, das raubt Leistung.
Die Century und auch die Zwitter-Toyota von Overdrive fahren mit V8-Saugmotoren. Die neuen Hallspeed-Toyota, die X-Raid-Boliden und die Prodrive-Hunter kommen mit aufgeladenen Motoren daher. Die Turbolader verdichten die Luft, sodass Turbomotoren in der Höhe deutlich weniger Leistung einbüßen als Sauger.
Um Sauger und Föhne auf ein Level zu bringen und gegeneinander konkurrenzfähig zu halten, wird der Ladedruck der Turbomodelle über die Elektronik je nach Höhenlage künstlich niedrig gehalten. Je höher man unterwegs ist, desto weniger Boost. So sollen Sauger und Turbos auch in den Bergen oder auf Hochebenen wie jener bei Bisha auf Augenhöhe kämpfen können.
Die Audi e-tron aber verfügen über zwei E-Motoren als Primärantrieb. Der Turbomotor an Bord dient nur als Kraftquelle zum Aufladen der Akkus. Und E-Motoren brauchen keine Luft, denn sie verbrennen ja nichts – sondern funktionieren mit Magnetfeldern. Die Spannung baut sich sofort auf. Deswegen liegt auch sofort beim ersten Gasgeben, wenn die E-Motoren zur Arbeit gebeten werden, ein viel höheres Drehmoment an als bei Verbrennungsmotoren. Deren Kolben müssen durch die Verbrennung quasi erst hochgefahren werden, die Kraftübertragung läuft schleppend an, nicht so abrupt wie bei E-Motoren.
Diesen Vorteil des sofortigen Antritts haben die Audi schon während der ganzen Dakar. Netto sind sie die überlegenen Autos, weil sie viel schwungvoller durch den Wüstensand und über die Dünen pflügen können. Und in der Höhenlage sowohl auf dem Wege nach Bisha am Mittwoch als auch auf der Schleife um Bisha potenziert sich dieser Vorteil noch. Denn die Leistung ihrer E-Motoren wird nicht zurückgeregelt wie jene der Turbomodelle. Die Audi können weiter aus der vollen Kraft von je einem Stromer an der Vorder- und Hinterachse schöpfen.
Während die Sauger also den ganzen Tag über Leistung verlieren und die Turbos über die Elektronik proportional runtergeregelt werden, bleiben die E-Motoren auf dem Zenit ihrer Leistung. Die Schere zwischen den verschiedenen Antriebskonzepten geht weiter zugunsten von Audi auf.
Das kann nur in einem souveränen Dreifachsieg münden. Mit Mattias Ekström als Favorit auf den Goldrang. Denn der Schwede profitiert von der Gnade des späten Startplatzes, während Stéphane Peterhansel und Carlos Sainz die Königsetappe von vorn kommend aufmachen müssen.