15.01.2023
Die Zielankunft geht über alles bei der Rallye Dakar. Und sie steht auch über allem. Auch für das südafrikanische Century-Team, das in diesem Jahr mit den neu entwickelten CR6-Audi hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.
Die Südafrikaner, die unter der Regie von Julien Hardy aus Mauritius mit einem Großaufgebot an heckgetriebenen Buggy in Werks- und Kundenhand antreten, mussten am Sonnabend zwei herbe Rückschläge hinnehmen. Werksfahrer Brian Baragwanath stürzte einen vier Meter hohen Rutschhang in ein Dünental hinab – dessen Senke er nicht gesehen hatte, weil er in Gedanken und mit den Augen schon bei der nächsten Düne war. Der harte Nasenstüber zertrümmerte bis auf den Hauptventilator die gesamte Kühlung, detschte die Auspuffrohre ein und malträtierte die Aufhängungen.
Auf dem Weg zum Biwak wurde auch noch die Batterie leergesorgen. Damit ging nicht nur der Scheibenwischer nicht mehr, was im wieder auffrischenden Regen schon schlimm genug gewesen wäre – der Buggy ließ sich auch kaum mehr lenken. Er hing allerdings an Abschleppseil und -haken vom Servicetruck. Dessen Fahrer musste versetzt waren, mit den rechten Rädern auf der Berme, damit Baragwanath hinter ihm im Schlepptau Sicht hatte und rechtzeitig steuern konnte.
Immerhin konnten die Mechaniker aus der Nähe von Johannesburg den Buggy im Biwak rechtzeitig wieder flottmachen – dick eingemummelt in Regenklamotten, wegen des erneut überraschend norddeutsch anmutenden Wetters in Arabien.
Für den Zielschuss nach Dammam am Sonntag wird Baragwanath den Abschleppwagen geben – für Serradori, der seinen Century im eigenen Team einsetzt. Denn Serradoris Audi-Motor steht unmittelbar vorm Exitus. Der Ölfilter hat Sand gezog. Die Steuerung der linken Nockenwelle funktioniert nicht mehr. Teamchef Hardy geht davon aus, der Motor könne den letzten Tag nicht überleben. Also solle der als 40. startende Baragwanath den Franzosen an den Haken nehmen und bis zur Zieleinfahrt ziehen – so lautet die Taktik der unbeugsamen Südafrikaner.
Deren Dame im Feld, Laia Sanz, musste Samstag bei Kilometer 110 von 153 anhalten, um sich zu übergeben. Die ehemalige Trialweltmeisterin und Siegerin der Motorraddamenwertung bei der Dakar hatte sich einen Magendarmvirus eingefangen, fühlte sich den ganzen Tag über matt und schwindelig – und das ewige Auf und Ab über die steilen Dünen gab ihrem Magen den Rest.
Solche Seekrankheit im Dünenmeer ist gar keine Seltenheit. Giniel de Villiers traf es am Sonnabend ebenfalls – obwohl der Stellenboscher schon seit Jahrzehnten eine feste Größe im Marathonrallyesport ist, sucht auch ihn, wie so viele andere, die Motion Sickness genannte Übelkeit bei langen Dünenquerungen ohne Erholungspause zwischen den einzelnen Sandbergen hin und wieder heim.
Auch andernorts wird kräftig gezittert: Martin Prokop, in seinem wuchtigen Ford F150-V8 lange Sechster, kam am Samstag nur mit Mühe und Not sowie waidwundem Auto ins Ziel: Sein Kegelrad hatte sämtliche Zähne abgeknuspert und sah aus wie eine Oma ohne Gebiss.
Die Hoffnung aufgegeben hat dagegen Simon Vitse. Der Franzose in seinem Optimus-Buggy war lange Führender bei der internen Wertung für Buggys. Doch er hatte schon in der ersten Woche einen Großteil des vorher bestellten Vorrats von Ersatzrädern, -felgen und -reifen aufgebraucht – und keinen Etat mehr frei, um bei MD Teile nachzuordern. Also musste er in der zweiten Woche gemäßigt fahren – und gab auf der 12. Etappe schließlich ganz auf.
Sein Teamkollege Pierre Lachaume liegt in der Buggywertung auf Rang 1, mit lediglich einer Minute und 40 Sekunden Guthaben auf Serradori.
Aber der soll ja nicht mehr auf Sieg fahren – sondern nur noch auf Ankommen.