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29.02.2024

Mächtig viel Theater


So viel Trubel vor dem ersten Rennen war selten. Wer spielte im Winter die Hauptrolle in der Formel 1-Seifenoper – Lewis Hamilton oder Christian Horner, der angeblich skandalbehaftete Red Bull-Teamchef?

Man muss das mal ein bisschen dechiffrieren. Das Fehlverhalten von Horner, das hinter den Kulissen zu einer internen Ermittlung geführt und dann öffentlich gemacht wurde, kam so manchem im Fahrerlager höchst gelegen. Denn, und das ist in der Königsklasse nichts Neues: Wenn man aus eigener Kraft nicht gut genug ist zu gewinnen, dann wirft man den überlegenen Gegnern halt Knüppel zwischen die Beine und hofft, dass der auf einem der Nebenkriegsschauplätze ins Stolpern gerät.

Das hat die Konkurrenz von Red Bull Racing weidlich getan. Dreh- und Angelpunkt dabei: Das Machtvakuum in der Firmenzentrale nach dem Tod von „Mr Red Bull“ Dietrich Mateschitz. Der hat das Getränk zwar nicht erfunden, sondern das Rezept stammt von einer thailändischen Familie – und die hält weiterhin die Mehrheit an der Firma. Der österreichische Getränkeverlag, der die Limo abfüllt und vermarktet, ist in Sachen Anteile knapp in der Minderheit – und die Erben von Mateschitz verfügen auch über keine Stimmgewalt, die Thai überstimmen zu können.

Es ist das übliche Geschacher ums Erbe und den Nachlass, sowohl materiell als auch ideell, das man immer vorfindet, wenn ein Patriarch und Firmenchef mit viel Macht und Charisma stirbt – und wenn sich dann leibliche Erben und neu in die Chefetage geholte Externe sortieren müssen. Die Affäre um Horner – deren genaues Ausmaß mir nicht bekannt ist – kam da gerade recht für einen zünftigen Intrigenstadl.

Und der kam vor allem Mercedes gerade recht. Denn deren Sportchef Toto Wolff hat sich verpokert, als er Lewis Hamilton bei der letzten Verhandlungsrunde nur noch einen Einjahresvertrag plus eine Option für ein weiteres Jahr angeboten hatte. Hamilton spürte, dass Wolff ihm sukzessive das Vertrauen entzog – und erlag deshalb im Winter dem Werben von Frédéric Vasseur, dem Ferrari-Temchef. Den kennt und schätzt Hamilton, seit er mit Vasseur damals noch Chef des ART-Teams durch die Nachwuchsformeln gestürmt und Anlauf auf den Formel 1-Einstieg mit Karacho genommen hat: Vasseur bot ihm jetzt bei den Abwerbeversuchen das Gefühl, unbedingt gewollt zu sein – während Wolff zuvor das genaue Gegenteil suggeriert hatte.

Denn der Österreicher auf der Mercedes-Brücke hat in Andrea-Kimi Antonelli, einem 17-jährigen Italiener, einen neuen Rohdiamanten im Ärmel, den er für Hamilton-Nachfolge aufbauen möchte. Und Antonelli ist so gut, dass er ohne lange Umwege in die Formel 1 kommen kann – 2025, als Hamilton-Nachfolger. All’ diejenigen, die von einem Comeback von Sebastian Vettel oder einer zweiten Chance von Mick Schumacher träumen – die übersehen den wahren Hintergrund, warum Hamilton ohnehin schon halb aufs Abstellgleis, wenn auch mit Beleuchtung, geschoben worden ist.

Mick Schumacher etwa fährt am Sonnabend in Losail bei Doha in Katar parallel zur Formel 1 das erste Rennen zur Sportwagenlangstrecken-WM. In einem Alpine. Das Auto ist unterentwickelt, brustschwach motorisiert und in Sachen der alles entscheidenden Software zur Bremssteuerung nur rudimentär bestückt. Im Kampf gegen Porsche, Toyota und Ferrari wird Mick Schumacher nur eine Statistenrolle in der WM 2024 spielen können. In die Formel 1 hätte ohnehin kein Weg zurück geführt. Jetzt droht der Bursche mit dem großen Namen sogar ganz in der Versenkung zu verschwinden. Nur die deutschen Massenmedien werden in regelmäßigen Abständen Stimmung für ihn bei Mercedes – oder Audi, deren Formel 1-Einstieg aber eh’ auf tönernen Füßen steht – machen. Denn das Boulevard braucht einen deutschen Fahrer. Aber die Formel 1 sehnt sich nur nach Topleuten, der Zug für Mick Schumacher ist abgefahren.

Bei Ferrari wähnt sich dagegen Hamilton nun als 39-Jähriger, also im gesetzten Formel 1-Alter, die Chance, noch mal neu Geschichte zu schreiben. Denn er weiß von Vasseur sehr genau, was der alles plant, um bei den krisengeschüttelten Roten die Wende einzuleiten. Das soll nach dem Vorbild von Micks Vaters Ära gelingen: weg von der Italientümelei, hin zu einem internationalen Aufgebot von Ingenieuren und Konstrukteuren, die das Team wieder nüchtern arbeitend führen und auf Kurs bringen. Vasseur bedient sich dabei weidlich in der großen Reihe der namenlosen Ingenieure aus der Zweiten Reihe, die im Schatten von Stardesignern wie Adrian Newey ihre nerdige Computerarbeit verrichten. Auch bei Mercedes. Dort hat er in Loic Serra einen Ingenieur abgeworben, der – anders als die erste Garnitur – schon in der Vergangenheit das schiefgegangene Design des letzten Mercedes intern angezweifelt hatte. Serra und Hamilton teilten ihre Grundhaltung gegenüber dem schlanken, ohne nennenswerten Seitenkästen auskommenden Design mit seiner unkonventionell weit nach vorn gelagerten Sitzposition. Nur: Die Chefetage mochte nicht auf sie hören. Bei Ferrari kriegt Serra nun mehr Verantwortung als bei Mercedes – und seine Verpflichtung war einer der Schlüssel zum Wechsel von Hamilton.

Der merkt nämlich: Bei Ferrari stimmt die Richtung perspektivisch, bei Mercedes stellt sich Stillstand ein. Das zeigt sich auch bei der Analyse der Testfahrten vor dem Saisonauftakt: Die Schwaben haben trotz aller Versprechungen mit einem ganz neuen Auto die Lücke zu Red Bull nicht schließen können. Übers Jahr hinweg wird Max Verstappen wieder heillos überlegen sein, während Mercedes eine Nasenlänge dahinter gegen Ferrari, McLaren und Aston Martin kämpft.

Im Vergleich zu den goldenen Jahren mit Hamilton als Dauerweltmeister befindet Mercedes sich im Rückwärtsgang, während Ferrari von hinten nach vorn kommt – und der Aufholprozess gerade erst Fahrt aufnimmt.


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