02.01.2017
Die ersten Teilnehmer, die jeden Tag die Rallye Dakar in Angriff nehmen, sind traditionell die Motorradfahrer. Sie stellen auch alljährlich das größte Kontingent, vor allem dank der vielen Privatfahrer, welche die Südamerika-Rundfahrt weniger als Sport denn viel mehr als riesiges Abenteuer sehen. Von genau diesen Amateuren lebt die Rallye maßgeblich. Und während die Starterzahlen der Herrenfahrer bei den Autos dieses Jahr drastisch rückläufig ist, weil den Amateuren die Streckenführung zu wenig abenteuerlich und zu sehr mit einem Sprintrallye-Charakter daher kommt, bleiben die Starterzahlen bei den Motorradfahrern weitgehend stabil.
Auch an der Spitze, wo mit genau so viel Hingabe und Wettrüsten um den Gesamtsieg gekämpft wird wie etwa bei den Autos.
Seit Jahrzehnten schon dominiert KTM scheinbar nach Belieben. An den Österreichern haben sich alle Gegner die Zähne ausgebissen, zuletzt auch Honda – selbst wenn die Japaner im vergangenen Januar ziemlich aggressiv nach den KTM-Hacken haben schnappen können, zumindest teilweise.
Schaffen Sie das in diesem Jahr auch?
Ich fürchte nicht. Denn Honda hat nach der Dakar 2016 die eigenen Teamstrukturen deutlich überarbeitet. Auf Drängen von Spitzenfahrer Joan Barreda-Bort hat man das Marathonrallye-Team in der Nähe von Barcelona bei jenem Team angedockt, wo auch die Trial- und Moto Cross-Abteilung der Japaner sitzen, in unmittelbarer Nachbarschaft auch zum MotoGP-Team von Honda. Die Experten des deutschen Speedbrain-Teams aus der Nähe von Rosenheim, die bis 2016 noch als eine Art Einsatzteam für den Werkrennstall verantwortlich zeichneten, sind nicht mehr dabei.
Das könnte Honda als Bumerang vor die Füße fallen. Denn Speedbrain hat in den vergangenen paar Jahren einen exzellenten Job im Motorrad-Rallyraid gemacht. Bevor die Bayern – unter der Regie von Wolfgang Fischer – mit Honda zusammenspannten, entwickelte Speedbrain schon ein Offroad-Marathonmotorrad für Husqvarna. Damals gehörte die schwedisch-stämmige Marke noch zum BMW-Konzern. Speedbrain hatte den Rahmen konzipiert, BMW den 450 Kubikzentimeter-Motor beigesteuert. Mit dem Resultat, dass der Rahmen immer noch zum Besten gehört, was für die Wüste gebaut wurde, der Motor sich aber als große Schwachstelle im Kampf gegen KTM herauskristallisierte.
Inzwischen hat KTM die Marke Husqvarna gekauft. Als Nebeneffekt setzen die Mattighofer ihre ureigenen KTM 450-Rallyemaschinen umgetauft mit einem anderen Namen, aber völlig baugleich, nun auch als Husqvarna bei der Dakar ein. Neben den KTM-Speerspitzen Toby Price, Matthias Walkner und – mit Abstrichen – Sam Sunderland fährt dank dieses Kunstgriffs auch Pablo Quintanilla, immerhin Marathon-Weltmeister bei den Bikern, eine gesamtsiegfähige KTM, verborgen unter dem Feigenblatt Husqvarna.
Honda setzt auf Barreda-Bort und Ricky Brabec. Ausgerechnet Kevin Benavides hat dagegen verletzungsbedingt die Segel streichen müssen. Dabei kommt der aus Salta, wo sein Vater – sic! – eine KTM-Handlung betreibt und wo aller Voraussicht nach kommende Woche die Vorentscheidung bei der Dakar 2017 fallen wird.
Die Ummodelung der Honda-Struktur hat dafür gesorgt, dass das neue Rückgrat des japanischen Teams eine ganze Reihe von neuen Entwicklungsschritten an die Maschine geworfen hat. Bei der Generalprobe in Marokko ist sowohl der Motor als auch die Elektronik wegen ursächlicher Schäden an den neuen Teilen hochgegangen. Honda arbeitet immer noch zu sehr wie ein Sprint-Team, lässt den Marathon-Gedanken – „Durchhalten ist erst mal das Wichtigste!“ – zu oft außer Acht.
Deswegen traue ich mir eine Hochrechnung für den Ausgang der Motorradwertung zu: Die Honda werden – allen voran mit Barreda-Bort – immer wieder ein Feuerwerk abbrennen. Zumal ihre Bikes mit über 180 km/h auf langen Geradeausstücken spürbar schneller fahren können als die KTM. Doch über die Distanz werden die Österreicher es wieder richten.
Und Speedbrain? Die Bayern sind ebenfalls am Start, mit ihren alten Husqvarna-Rahmen, die sie inzwischen als Technikpartner für die indische Massenmotorradmarke Hero einsetzen. Es ist der erste Dakar-Start von Hero, ein indischer Fahrer namens CS Santosh ist zum zweiten Mal dabei. Wunderdinge sind da nicht zu erwarten. Aber ein waches Auge sollte man schon auf Speedbrain-Hero haben – und dann mal hochrechnen, was wohl gewesen wäre, wenn die Bayern bei Honda bei der Stange geblieben wären.