08.01.2023
Bei der Rallye Dakar ist dauernd die Rede von T1+, T1, T3 und T4. Was aber steckt hinter diesen Klassenbezeichnungen?
Die T1+ bildet die Erste Liga: Allradler mit Verbrennungsmotoren, die in ihrer Optik an Serienwagen wie etwa den Toyota Hilux oder Mini Cooper angelehnt sein können, aber – siehe Prodrive-BRX Hunter – nicht müssen. Die zwei Tonnen schweren Wagen sind Prototypen, die auf einem Rohrrahmengestell aus Chrommolybdän aufgebaut sind. Die Motoren sind vorn hinter der Vorderachse verbaut. V6-Turbos haben sich als die beste Motorvariante durchgesetzt. Das Aufhängungsprinzip ist frei. Toyota verwendet vorn Einzelradaufhängungen, hinten Starrachsen – mit nur einer Feder/Dämpfereinheit. Die Räder und Federbeine sind vergleichbar groß wie bei den Buggys der T1.2-Klasse: die Räder messen 37 Zoll, der Federweg 35 Zentimeter. Die T1+ gibt es erst seit zwei Jahren; sie ist damals aus der T1 hervorgegangen, um die Allradler und die Buggys auf Augenhöhe fahren zu lassen. Denn die Buggys hatten bis dato exakt diese Maße bei Radumfang und Federweg, die alten Allradler standen tiefer da.
Wie genau die T1+ damals zustande gekommen ist, welche technischen Überlegungen dahinter steckten – all' das hat PITWALK bereits in Ausgabe 60 exklusiv in einer großen Investigativ-Hintergrundgeschichte enthüllt. Das 180 Seiten dicke Premium-Magazin mit dem großen Rallye Dakar-Special zur großen Regelreform könnt Ihr hier nachbestellen: https://shop.pitwalk.de/magazin/98/ausgabe-60?c=6 Da wird Vieles klar, was auf den ersten Blick noch verworren und verzerrt erscheinen mag.
Die T1.U ist für Autos mit alternativen Antrieben gedacht. Momentan fahren nur die Audi e-tron in dieser Klasse – deren U für ultimativ steht. Die Audi verfügen über je einen E-Motor pro Rad. Diese Maschinen werden über ein Akkupaket gespeist, das wiederum während der Fahrt von einem Zweiliterturbomotor permanent aufgeladen wird. Der Verbrennungsmotor läuft dabei ständig mit konstanter Drehzahl – auf jenem Level, bei dem das Verhältnis aus Leistungsabgabe und Verbrauch am effizientesten ist. Trotzdem verbrauchen die Audi auf den Etappen vergleichbar viel Benzin wie die normalen Verbrenner aus der T1+. Künftig wird auch die Wasserstoff-Brennstoffzellengeneration von Guerlain Chicherit, über die der Franzose exklusiv in der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift PITWALK https://shop.pitwalk.de/magazin/110/ausgabe-70?c=6 spricht, in diese Klasse fallen. Die T1+ und die T1U werden über Anpassungen der Fahrzeugeinstufungen mit Parametern wie Gewicht und Motorleistung gleichgeschaltet wie einst die Porsche 919, Toyota TS-Modelle und Audi R18 in Le Mans und der Sportwagen-Langstrecken-WM. Über diese Äquivalenzformel EoT soll sichergestellt sein, dass T1+ und T1U auf Augenhöhe um den Gesamtsieg kämpfen können.
Die T1 ist die Vorgängerklasse der T1+. Bis 2021 bildete sie die Erste Liga. Die Autos sind ebenfalls Allrad-Prototypen auf Gitterrohrrahmen, aber mit lediglich 32 Zoll großen Reifen und nur 28 Zentimeter Federweg. Die über zwei Tonnen schweren Boliden verfügen über je zwei Federbeine an jeder Fahrzeugecke, hinten über Starrachsen und über großvolumige V8-Saugmotoren. Bei der Dakar 2023 führt Daniel Schröder aus Thedinghausen bei Bremen in einem Nissan aus dem Team Red-Lined die T1-Wertung an. Der Niedersachse, dessen Auto hier im Header gezeigt ist, liegt nach einer bemerkenswerten Aufholjagd seit Donnerstag in Front.
Die T1.2 ist die Buggyklasse für Prototypen auf Gitterrohrrahmenbasis mit Heckantrieb. Die Räder dürfen 37 Zoll und der Federweg 35 Zentimeter messen, zusätzlich verfügen die Buggys über einen Bordkompressor, mit dem sie die Reifenluftdrücke bei voller Fahrt anpassen dürfen – wichtig, weil sich der Druck in der Wüste von jeder über steinige Passagen unterscheidet. Allradler müssen dazu anhalten, wenn sie für die Wüste auf 0,8 bar absenken oder fürs harte Gelände wieder aufpumpen möchten. Die Buggys waren eigentlich für Privatteams gedacht. Peugeot hat die Hecktriebleridee für sein Großaufgebot der Jahre 2017 und 2018 gekapert. Obwohl die Regelmacher eigentlich möchten, dass Hersteller sich mit Allradlern und wiedererkennbarer Optik engagieren wie Toyota, damit es eine konkrete Abstrahlung auf die Produkpalette der Werke gibt. Schnelle Wüstenpassagen und die Flexibilität beim Luftdruck haben die Buggys in einen Vorteil versetzt. Der wurde für 2022 durch die EInführung der T1+ wieder eliminiert. Nachbesserungen für die Buggyklasse kommen nicht infrage, denn die soll wieder auf Amateurlevel zurückgeführt werden. Spitzenreiter bei den Buggys sind die beiden Century-Fahrer Mathieu Serradori und Brian Baragwanath.
Die T3 sind Prototypen der Side-by-Side-Klasse: buggyähnliche Konstruktionen mit freistehenden Rädern, aber Allradantrieb. Ihre Motorleistung ist so eingedämmt, dass sie maximal 135 km/h schnell werden – abgeriegelt durch einen sanften Begrenzer. Die Reifen der Wüstenflöhe sind erheblich kleiner als jene der T1-Klassen. Die T3 ist quasi die Formel 3 innerhalb des Marathonrallyegefüges.
In der T4 fahren serienmäßige Side-by-Sides, wie man sie auch beim Händler kaufen kann – für Spaß am Strand oder Försterarbeiten im Wald. Sie weisen eine schmalere Spur als die T3 auf und sind bei 125 Sachen abgeriegelt. Die T4 ist die Einsteigerklasse in den Rally Raid-Sport.