18.07.2020
Trotz der Politik hält sich Deutschland eigentlich ganz wacker im Existenzkampf gegen die Coronafolgen. Nur der Motorsport muss einem weiter Sorgen machen. Jetzt ist gerade die Deutsche Rallyemeisterschaft abgesagt worden – also ein Championat, das vom ADAC organisiert wird. Die DRM darbt seit Jahren nur noch vor sich hin, und man hat den Eindruck, dass sich kaum einer so recht darum schert, ob Deutschland nun eine Rallyemeisterschaft hat oder nicht.
Das ist schade, denn der Sport ist toll und die Akteure noch echte Charakterköpfe mit Heldenpotenzial. Ihnen ist jetzt eine wirtschaftliche Grundlage entzogen worden. Jetzt liegt ihr Kind im Brunnen.
Allenthalben haben die Deutschen in letzter Zeit Kreativität gezeigt, um mit den von der Regierung angeordneten Schließungen klarzukommen, die sie um ihre wirtschaftliche Grundlage gebracht haben – oder auch um soziale Kontakte und Freizeitbeschäftigungen irgendwie zu retten. Kurz: Um all‘ das irgendwie zu kompensieren, das den Bürgern von höchster Instanz lahmgelegt worden ist.
Vom privat im Vorgarten geschmückten Baum, der in Norddeutschland den großen Maibaum samt gemeinschaftlicher Setzfeier ersetzt, bis hin zu neuen Geschäftsideen und -ausübungen. All' das ist, wie im Editorial von PITWALK zu Beginn der Coronakrise schon thematisiert, vor allem auf private Initiativen hin entstanden. Behörden oder gar die Politik haben in den allermeisten Fällen nichts bewegt, sondern höchstens noch zur Verwirrung beigetragen.
Auffällig ist, wie wenig im deutschen Motorsport beim Neustart nach dem Lockdown funktioniert. Das DTM stellt sich tot, vielleicht ist es das sogar schon. Das GT-Masters testete am Wochenende und hat einen neuen Kalender rausgebracht, aber selbst die Teams wissen noch nicht, wen sie alles mit ins Fahrerlager bringen dürfen, von Medienvertretern ganz zu schweigen. Die NLS fuhr als erste wieder, musste aber mit immer neuen Änderungen an ihrem Konzept einer Freiluftboxengasse nachbessern, und immer wieder offenbaren sich neue Unzulänglichkeiten.
Und was ist mit dem 24-Stundenrennen auf dem Ring? Keine Aussage. Während Le Mans mit Konzepten wie eigenen Fandörfern nach Asterix-Vorbild zeigt, wie's geht, schweigt sich der ADAC Nordrhein aus. Dabei ist klar: Das 24-Stundenrennen muss auf jeden Fall stattfinden, sonst geht es ganz vielen Teams wirtschaftlich an den Kragen.
Wie anders machen es da wieder mal die Amerikaner. Sowohl in der IndyCar als auch der NASCAR sind sogar schon wieder Fans an der Strecke. Und beide Serien rennen schon seit Monaten mit Konzepten, die nicht mal überarbeitet oder angepasst werden mussten. Alles, was dort geplant wurde, hat funktioniert. Mehr noch: Die NASCAR hat sogar offensiv für sich in Anspruch genommen, der erste Profisport in den USA sein zu wollen, der nach dem Lock-down wieder loslegt. Vor Basketball, American Football, Eishockey und Baseball. Was soll man sagen? Es hat geklappt. Und der ganze Motorsport profitiert davon.
Wie's auch hierzulande geht, hat die Basketball-Bundesliga gezeigt: Das dortige Finalrunden-in-Käfighaltung-Konzept hat dafür gesorgt, dass die eigentliche Randsportart Basketball plötzlich in allen Medien war. Weil jemand beim Veranstalter mutig, aber auch besonnen und vernünftig genug war, ein tragfähiges Format zu entwickeln und umzusetzen.
Das kann nicht ein Basketball-Verein allein, genauso wenig wie ein paar Rennteams allein ihre sicher vorhandenen Ideen umsetzen könnten. Dazu braucht es Verbandsfunktionäre mit Mut und Visionen.
Man stelle sich mal vor, der Motorsport hätte auch in Deutschland eine solche Vorreiterrolle eingenommen wie in den USA oder wie Basketball in Deutschland. Was hätte das für eine Medienresonanz erzielt? Da hätte der DMSB richtig was für den ganzen Sport erreichen können. Es wäre so wichtig gewesen – gerade in einer Zeit wachsender Unsicherheit für den Motorsport ganz allgemein, auch ohne Corona, wegen E-Autos, Umweltschutz und Verpönens durch Grüne. All‘ dem hätte man mit einem koordinierten, mutigen und konzertierten Neustart richtig was entgegensetzen und den Motorsport in seiner Gesamtheit stärken können. Womöglich hätten sogar die Autowerke gesehen, dass die Rennerei doch nicht so des Teufels ist wie manche Bosse und Marketingmanager gerade postulieren.
Ein ganzer Trend hätte sich umkehren lassen, auf sympathische und werbewirksame Art und Weise.
Stattdessen müssen alle immer noch ums 24-Stundenrennen bangen. Die anderen Serien müssen ihre eigenen Ideen und Pläne laufend korrigieren, ohne dass sie dadurch besser würden.
Für das, was da an Chancen liegengelassen worden ist, rumort es in der Szene erstaulich wenig.